200 Euro für die Menschenwürde

Ex-Häftling bekommt Schmerzensgeld, weil in der JVA Hannover sein Persönlichkeitsrecht gestört wurde. Das Land kündigt an, in Berufung zu gehen

HANNOVER taz ■ Zwei Tage musste er zusammen mit vier weiteren Häftlingen auf 16 Quadratmetern verbringen – dafür hat Ex-Insasse Andreas H. heute vom Landgericht Hannover ein Schmerzensgeld in Höhe von 200 Euro zugesprochen bekommen (siehe taz von gestern). Die Unterbringung sei „eine schuldhafte Verletzung des Gebots der menschenwürdigen Unterbringung“ gewesen, kommentierte Richter Hans-Dieter Kimmel. Ein solcher Verstoß gegen die Persönlichkeitsrechte dürfe nicht sanktionslos bleiben. Die Toilette in der Zelle war nur mit einem Vorhang abgetrennt gewesen.

Bereits im Februar 2002 hatte das Bundesverfassungsgericht (BVG) in einem ähnlichen Fall entschieden, dass die Haftbedingungen in der JVA Hannover nicht menschenwürdig seien. „Das Land hatte danach Zeit genug, Sofortmaßnahmen zu ergreifen. Das hat es nicht getan“, sagte der Richter.

Die Zustände im so genannten Transporthaus der JVA seien „desolat“, sagte Ralf Briese, justizpolitischer Sprecher der Grünen. Demnächst würden zwar die neuen Vollzugsanstalten in Sehnde und Rosdorf mit ihren insgesamt 850 Plätzen Entlastung bringen, wichtiger sei aber, in Niedersachsens Knastpolitik umzusteuern. Schleswig-Holstein habe hier Vorbildfunktion, „dort ist die Devise ambulant statt stationär“, betonte der Grüne. Im Norden gebe es nur „sehr milde ansteigende Haftraten – und das ist politisch gewollt.“

Niedersachsen – wie andere Bundesländer – hat seit Jahren mit steigenden Häftlingszahlen zu kämpfen. Zwischen 1990 und 2000 stiegen hier die Haftzahlen von 67 auf 83 pro 100.000 Bürger an. Derzeit sind Niedersachsens Knäste bei den erwachsenen Männern im Durchschnitt zu 114 Prozent belegt – auf gut 6.000 Plätze kommen rund 6.500 Insassen. Deshalb hat noch die SPD-geführte Landesregierung 1998 Investitionen in Höhe von 500 Millionen Euro angeschoben. Derzeit werde das Transporthaus der JVA Hannover umgebaut, sagte ein Sprecher des Justizministeriums. Die beklagten Zustände dürften sich Anfang 2004 ändern. Gleichzeitig kündigte er an, dass das Land gegen das Urteil in Berufung gehen werde, um nicht mit weiteren Klagen wegen menschenunwürdiger Unterbringung überzogen zu werden. Für zu Unrecht erlittene Haft würden derzeit elf Euro pro Tag bezahlt. Angesichts dessen sei der „Betrag von 200 Euro unverhältnismäßig.“

Kai Schöneberg