Jukebox

Weggehen, Heimkommen und all that Blues

Das ist dann vielleicht doch der Soundtrack des Lebens, den die Schweizer Aeronauten mal in diese wunderbare Textzeile gefasst haben. Ja: „Mit dem Alter fängt man an, sich für Country-Musik zu interessieren.“

Smells like Rückbesinnung, nach einer Vergewisserung, wo man eigentlich herkommt, was man zu den Zeiten, als man mal aufgebrochen war, so genau gar nicht wissen wollte. Weil es da doch um den Bruch ging. Ums Weggehen. Nicht Heimkommen. Was doch was für das Alter ist.

James „Blood“ Ulmer spielt jetzt also vermehrt den Blues, Klassiker sogar wie „Spoonful“ oder „Little Red Rooster“, und das mag im ersten Moment vielleicht irritieren, wenn man den mittlerweile 66-jährigen Gitarristen vor allem als den Musiker kennt, der in den Anfang-Achtzigern mit Plattentiteln zornig fragte „Are You Glad To Be In America?“ Die Musik ein brodelnder Sud aus Ornette-Coleman-gesättigtem Jazz, zickigem Funk, elektrifizierendem Rock, einem zu Ende gedachten Jimi Hendrix und einem Hochenergiespiel wie sonst nur noch bei den abgezocktesten Freejazzern. Das war die „No Wave“ (auch das der Titel eines Ulmer-Albums), die als Begriff weniger eine musikalische Gattung, sondern mehr eine Spielhaltung beschreibt: Alle Türen offen, keine Zeit für den Blick zurück.

Irgendwann auf dem Weg aber musste man doch auch mal gucken, wohin man eigentlich rennt. Sich neu sortieren. Sogar auf Wurzelsuche gehen. Wie der ausgemachte Avantgarde-Zampano John Zorn (der auch mal bei Ulmers Music Revelation Ensemble spielte), der sich seit den Neunzigern der Recherche einer „radical Jewish Culture“ widmet.

Außerdem mussten die heftigen No-Wave-Musiker sehen, dass wenigstens das Jazzpublikum nicht weiter mitlaufen wollte, weil mit Wynton Marsalis zum Beispiel plötzlich wieder deutlich gefälligere Modelle zur Verfügung standen, die den Jazz mit einem neu aufgelegten Reinheitsgebot in konservativere Spuren lenkten. So ist eine Rückbesinnung auf die Tradition schlicht auch ein Marktzwang.

Weil der Blues geht immer.

Wenn man aber ein wenig genauer auch in die alten Stücke von James „Blood“ Ulmer horcht, wird man hören, dass er schon immer da war, der Blues, in seiner Musik, kraus und stampfend, mehr dem Prinzip nach und halt nicht als gefällige Traditionsveranstaltung. James „Blood“ Ulmer musste nicht erst heimkommen zum Blues. Er war nie wirklich weg. Heute Abend spielt er ihn im Quasimodo. THOMAS MAUCH