Neue Dokumentation über Zwangsarbeit

Ehemalige Zwangsarbeiter berichten über ihr Leben in 590 Interviews. Diese sind jetzt online abrufbar. Zwölf ausgesuchte Gespräche sind außerdem in einer Multimediastation im Deutschen Historischen Museum zu hören

Das Onlinearchiv „Zwangsarbeit 1939–1945“ ist am Donnerstag erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt worden. „Viele Überlebende aus Mittel- und Osteuropa haben in den nun vorliegenden Interviews erstmals über das Erlittene und die oftmals schwere Zeit nach 1945 berichtet“, sagte der Vorstand der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“, Günter Saathoff, bei der Präsentation. Ziel des neuen Onlinearchivs sei es, die Erinnerung dieser NS-Opfer wachzuhalten und sie für politische Bildung und Forschung nutzbar zu machen.

Das Portal ist im Internet unter www.zwangsarbeit-archiv.de abrufbar. Den Angaben von Saathoff zufolge enthält das Archiv insgesamt 590 Interviews mit ehemaligen Zwangsarbeitern aus 26 Ländern. Aufgenommen wurden 2.000 Interviewstunden, die nach Registrierung nun im Internet aufgerufen werden können. Darüber hinaus sei auch in der Dauerausstellung des Deutschen Historischen Museums (DHM) eine Multimediastation mit zwölf ausgewählten Interviews eingerichtet worden, sagte der stellvertretende Präsident des DHM, Dieter Vorsteher.

Das Archiv sei der „Ausdruck später, doch symbolisch wahrgenommener Verantwortung“, sagte Saathoff. Bisher habe die Stiftung für Archivierung, Digitalisierung, Erstellung der Webplattform und der Multimediastation 2,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Das Onlinearchiv wurde seit 2004 vorbereitet. Abrufbar sind Erinnerungen jüdischer und nichtjüdischer KZ-Häftlinge, von Sinti und Roma, Zwangsarbeitern im Bergbau, in der Industrie oder der Landwirtschaft sowie von italienischen Militärinternierten und sowjetischen Kriegsgefangenen. Auch prominente Überlebende wie Jorge Semprún erzählen ihre Geschichte. Neben den Audio- und Videobändern enthält die Sammlung Transkripte, Fotos und andere Materialien. Über 4.000 Scanns von persönlichen Dokumenten sowie historischen Fotografien ergänzen die Tonaufzeichnungen.

Einen Schwerpunkt bilden den Angaben zufolge Berichte ehemaliger Zwangsarbeiter aus Mittel- und Osteuropa. Die meisten Interviews seien in der Ukraine, in Polen und Russland geführt worden. Etwa ein Drittel der Interviewten waren jüdische oder nichtjüdische Sklavenarbeiter in Konzentrationslagern gewesen. Mehr als ein Viertel der Gespräche sei bereits übersetzt worden, bis zum Beginn des kommenden Jahres sollen alle Interviews in der Originalsprache und in Deutsch vorliegen, hieß es.

Träger des Projekts ist die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ in Kooperation mit der Freien Universität Berlin und dem DHM. Das Onlinearchiv soll außerdem für die politische Bildungsarbeit in Schulen, Gedenkstätten, Lehre und Forschung genutzt werden. Geplant ist zudem, weiterführende Bildungsmaterialien wie biografische Kurzfilme oder Unterrichtsmaterialien sowie eine DVD im Herbst zum 70. Jahrestag des Kriegsbeginns vorzustellen. EPD