Sozialpolitik zu Markte getragen

Senat sieht „ordnungspolitisch“ keinen Bedarf mehr, Pflegeheime zu betreiben: Schließung und Verkauf von Heimen des Trägers pflegen & wohnen beschlossen. Städtische Pflege allein wegen Rückkehrrecht der Beschäftigten fortgesetzt

von ELKE SPANNER

In zwei bis drei Jahren wird es in Hamburg kaum noch Pflegeheime in öffentlicher Hand geben. Der Senat hat gestern ein Konzept der Sozialbehörde zur Sanierung des defizitären Landesbetriebes „pflegen & wohnen“ (p&w) beschlossen. Dieses sieht vor, ein Drittel aller Alten- und Pflegeheime zu schließen und die übrigen zu einem weiteren Drittel zu privatisieren. Laut CDU-Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram werden von den 14 p&w-Pflegeeinrichtungen „einzelne Standorte geschlossen, in anderen werden Pflegeplätze erheblich reduziert“.

Ziel ist zum einen, durch den Verkauf der p&w-Grundstücke und -Gebäude Haushaltsdefizite abzutragen. Zum anderen aber auch, drastisch Personal zu reduzieren. Dass das für die Behörde beschlossene Sache ist, hatte diese bisher verneint. Als vor zwei Wochen die Privatisierungspläne bekannt wurden, hatte Behördensprecherin Anika Wichert noch behauptet, dass derartige Fragen erst im Laufe des zwei bis drei Jahre andauernden Sanierungsprozesses geklärt werden.

Gestern aber hat Staatsrat Klaus Meister (SPD) bereits konkrete Zahlen genannt: Zunächst würden in der Verwaltung von p&w 100 Stellen abgebaut, in den Pflegeheimen 158. Diese Zahlen, ergänzte er, seien aber nur „das absolute Minimum. Im Ergebnis wird es erheblich mehr sein.“ Selbstverständlich werde die Behörde „alles daransetzen, es nicht zu betriebsbedingten Kündigungen kommen zu lassen“. Schnieber-Jastram sieht arbeitsmarktpolitisch ohnehin kein Problem: Der Bedarf an qualifizierten AltenpflegerInnen auf dem Arbeitsmarkt sei groß.

Dass die Stadt einen Bruchteil ihrer Heime weiterführen wird, liegt nicht etwa daran, dass man eine Grundversorgung auch für sozial schwache Menschen erhalten will, die kaum die Klientel der privaten Investoren sind. Im Gegenteil sieht die Sozialsenatorin dafür „ordnungspolitisch“ keinen Bedarf, „denn durch städtische Zuständigkeit wird nicht besser gearbeitet als privatwirtschaftlich“. Der Grund ist allein, dass den MitarbeiterInnen von p&w, die schon vor der Umwandlung des Trägers in einen Landesbetrieb dort beschäftigt waren, für den Fall einer Privatisierung ein Rückkehrrecht in die Behörde zugesichert worden war. Da deshalb rund 90 Prozent der jetzigen Beschäftigten Anspruch auf Weiterbeschäftigung im öffentlichen Dienst haben, sollen für diese einzelne Pflegeheime weiter städtisch betrieben werden.

Dass es durch die Schließung der Pflegeheime demnächst Versorgungslücken in der Stadt geben wird, glaubt die Senatorin nicht. Sie setzt in der Sozialpolitik ganz auf die Marktwirtschaft: Die Erfahrungen hätten gezeigt, dass freigemeinnützige und privat-gewerbliche Träger „nachfragegerecht investieren“.

Da auch der Senat weiß, dass zumindest ein zweiter Geschäftsbereich von p&w, die Unterbringung von Obdachlosen und MigrantInnen, kaum auf das Interesse privater Geldgeber stoßen dürfte, bleibt zumindest dieser in städtischer Hand. Mit der Zielvorgabe, „dass alle Möglichkeiten der Kostenreduzierung erschöpft werden“. Ganz abgegeben wird hingegen die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen. Bis Ende des Jahres soll die Übernahme durch einen anderen Träger entscheidungsreif sein.

Die SPD-Fraktion hat dem Senat vorgeworfen, sich mit der Schließung und Privatisierung von Pflegeheimen vor seiner Verantwortung zu drücken. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Britta Ernst bezeichnete es als eine staatliche Aufgabe, eine hohe Qualität in der Pflege alter und behinderter Menschen zu sichern. „Unter den privaten Betreibern gibt es auch viele schwarze Schafe.“