village voice
: Berlin am Mike/ Fickt dich/ All night: Debütalben von Fumanschu und Dissput

Täglich Crack und Gangster-Rap

Wie das so ist im Battle-Rap: Der zweite Platz zählt gar nichts, man muss immer der Größte sein. Oder es zumindest behaupten. Und dabei immer möglichst laut rumbrüllen. So gesehen machen Dissput auf ihrem Album-Debüt vieles richtig. Ihren Zuhörern zeigen sie auf der CD-Rückseite den Stinkefinger und den „Schwuletten“, die ihre Texte bevölkern, was eine solide Beschimpfung ist: „Ihr seid die größten Flaschen, ihr Fotzen“. Sollte die Welt tatsächlich auf Proll-Rap aus Berlin gewartet haben, das hat sie nun davon.

Das Projekt dreier Deutschtürken um den früheren Islamic-Force-Produzenten Supertan, hat bereits mit verschiedenen EPs Extremreaktionen provoziert. Auf dem selbst betitelten Debütalbum wird schnell und in wenigen Worten die Absicht klar gemacht: „Dissput am Mike/ Ficken Dich/ All night“.

Ein soulig daherschnulzendes Liebeslied unterbricht nur kurz die Kaskade aus Schimpfwörtern, Sexismen und Drohgebärden, die sich zu kaum mehr fügen als einer derb herauskrakeelten Selbstvergewisserung.

Das alles lässt sich unschwer lesen als unüberhörbare Gegenposition zur stummen Assimilation der ersten Migrantengeneration, zu der wahrscheinlich auch die Eltern der drei gehören. So ist die Platte vor allem interessant als Dokument eines neuen Selbstbewusstseins – auch wenn das Zuhören bisweilen schmerzt.

Im direkten Vergleich kommt Fumanschu auf seinem Album-Debüt „The Funky Adventures of Fumanschu“ arg zivilisiert daher. Als Mitglied von Kool Savas’ ehemaliger Crew M.O.R. einer gewissen Tradition verpflichtet, fordert er zwar schon mal „dicke Möpse raus“, droht dem Erzeuger des Zuhörers, ihn zu ficken oder kündigt an: „Wichser werden gerammt“. Einer der Grundsätze des M.O.R.-Umfelds, das hier unter anderem durch Produzent Ronald Mack Donald und die Gast-Rapper Justus und Jack Orsen vertreten ist, war eben schon immer: „Rap ist Entertainment und keine Doku“.

Und so wirken Geständnisse wie „Ich rauche Dope wie ein Schlot“ oder „Ich bringe Leute um, ich kann nicht anders“ in ihrer Häufung und durch den lakonischen Tonfall denn eher wie die ironische Überhöhung klassischer Inhalte. Tatsächlich ergänzt Fumanschu das Eierschaukeln mit kleinbürgerlichen Referenzen von Rudi Carrell bis zu Harry Potter. Kindliche Lautmalerei („knister-knaster“) und fiese Schüttelreime („Ich brauch keinen Tacho, ich brauch Karacho“) verstärken den Eindruck, dass sich hier jemand wenigstens nicht allzu ernst nimmt.

Dissput mögen nicht anders können, als den harten Mann zu markieren, so lächerlich das auch wirken mag. Fumanschu will gar nichts anderes, weil das nun mal so ist im Genre. Dass die altbekannten Posen bei ihm zur Karikatur des Gangster-Rap gerinnen, ist immerhin gewollt. Der Umgang mit den Inhalten findet seine jeweilige Entsprechung in den Beats. Bei Fumanschu huschen piepsige Keyboards augenzwinkernd durch die Tracks, die im Vergleich zu klassischem M.O.R.-Material unglaublich sauber produziert sind. Währenddessen haben sich Dissput ein übles Brett programmiert, in dem die Samples dröhnen wie Death-Metal-Gitarrenriffs.

Auf ihre Weise aber sind beide Platten musikalisch überraschend eigenständig. Sie adaptieren weder den vom Sound der Neptunes und Timbaland geprägten Einheitsbrei, noch die hierzulande dominierenden Entwürfe. Hätten Fumanschu und Dissput nun tatsächlich noch etwas zu sagen, müsste man keine Bange haben um den Berliner HipHop.

THOMAS WINKLER

Dissput: „Dissput“ (rap.de records) Fumanschu: „The Funky Adventures of Fumanschu“ (Royal Bunker)