auf augenhöhe
: Fête de la Baguette

Frankreich feiert am Pariser Platz

Erstmals begeht die Grande Nation ihren – ja, überhaupt den – Nationalfeiertag, le 14. Juli, auf angestammtem Terrain, dem Pariser Platz. Wir erinnern uns, es ging um die heldenhafte Erstürmung der Bastille. Die, wie im Lexikon historischer Irrtümer nachzulesen ist, halb so heldenhaft vonstatten ging, wie wir und die Nachbarn westlich des Rheins gerne glauben möchten. Offenbar wurde die Bastille anno 1789 nicht wirklich erstürmt. Vielmehr soll der Bastille-Komandant den Aufständischen den Schlüssel übergeben haben, um anschließend niedergemetzelt zu werden. Egal, denn wenn es um Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit geht, ist das allemal ein Anlass, die Zivilisiertheit Kerneuropas zu feiern. Allons enfants, auf zur Porte du Brandenbourg und etwas französisches Savoir vivre inhalieren.

Auf der Bühnenwand, die das preußische Tor schlicht verdeckte, prangte am Montagabend groß und selbstverständlich, na klar, die Trikolore. Davor, erhöht, plünderte das extra aus Paris eingeflogene „Orchestre Elysée-Montmartre“ – völlig überraschend – das Edith-Piaf-Repertoire. „La foule“ hauchte es zur besten Büroschlusszeit in eine lichte Ansammlung schaulustiger Herumsteher. Doch, elas, niemand ergriff spontan zum Tanz die Hände eines Mitmenschen. Vielmehr telefonierten nicht wenige per Handy ihre Abendverabredung zurecht und wiegten sich, immerhin, dazu von einem Bein aufs andere. Das Blut ist eben doch – trotz Tango-Mania – zu kühl an der Spree.

Nun gut, die Musettes, die Ziehharmonikas, schwurbelten zum Bal populaire, dem Jedermann-Ball, was das Zeug hielt, und die mittlerweile zahlreichen französischen Gourmetbetriebe der Stadt tischten auf, was sie für die Berliner wohl für angemessen hielten: Trockenes Baguette und Pernod im Plastikbecher. Dazu gab’s Pommes mit kleinen Würstchen, bretonische Austern, 5 Euro das Tellerchen, und ein besonders appetitliches Käseplättchen im Suppenküchen-Look. Oh lala. Außerdem, bien sûre, Wein und ein pizzaartiges Käsegebäck, das man eher bei einem italienischen Fest unter der Bezeichnung „Berlusconis Rache“ vermutet hätte.

Nicht, dass das alles keinen Spaß gemacht hätte. Nur, könnte Fronkreisch, nach dem Schulterschluss gegen das Bush-Regime wieder eines unserer Lieblingsländer, uns nicht etwas mehr verwöhnen? Enfin, über das Stadium der grenzenlosen Bewunderung, wenn les grands amis mal Baguettes schmieren und die Piaf auflegen, sind wir doch ein bisschen hinaus, n’est-ce pas?

ADRIENNE WOLTERSDORF