vorlauf
: Keine Stadt wie jede andere

„Grüße aus Dachau“

(23.00 Uhr, ARD)

Am Anfang blüht der Raps. Und alles ist so idyllisch, wie ein Bayern-Idyll in zartem Weiß-Blau nur sein kann: Kleinstadt in warmer Sommersonne, Volksfest mit Blasmusi – Dachau, eben.

„In New York gab mir ein Kellner mal verständnislos meine Kreditkarte zurück. Sparkasse Dachau stand drauf. Wieso ein KZ denn eine Sparkasse habe, wollte er wissen.“ – Der das sagt, heißt Bernd Fischer, ist selbst in der Kleinstadt nordwestlich von München aufgewachsen, „irgendwann weggegangen“ und 2002 zurückgekommen, um einen wunderbar lakonischen Film über Dachau zu machen, den schon das TV-Festival Cologne Conference in sein Spektrum des jungen Films aufgenommen hatte.

„Please show me the way to the Konzentration-Camp – diesen Satz kannten alle Kinder.“ Was es heißt, in dieser Stadt zu leben, die Erinnerung an den Holocaust als stein gewordenen Alltag um sich zu haben, kann auch „Grüße aus Dachau“ nicht wirklich beschreiben. Als Annäherung ist der Film, der auf jedes historische Filmmaterial verzichtet, gelungen.

„Dachau ist eine junge, moderne, schöne Stadt, in der man gut Leben kann“, sagt eine resolute Dame. Sie ist nicht etwa die Bürgermeisterin oder vom Fremdenverkehr. Sondern die Hebamme, die erzählt, dass es immer noch Paare gibt, die zur Geburt ihres Kindes nach München fahren, weil im Ausweis sonst später einmal „Geburtsort: Dachau“ steht.

Fischers Film nähert sich Dachau ganz behutsam durch die Augen seiner Einwohner – vom schwer rechtsverstrahlten Kommunalpolitiker, der zum Glück richtig hässlich ist, über die Bereitschaftspolizei, die auf Teilen des ehemaligen KZ-Geländes stationiert ist wie auf anderen das Kloster der katholischen Schwestern. Bis hin zum KZ-Überlebenden Mannheimer, der heute die Besucher durch die Gedenkstätte führt.

Am Ende entsteht durch so viel sonnige Normalität ein beklemmendes Bild – und die Stadtführerin hat ganz anders Recht behalten, als ursprünglich gemeint war: „Und nachdem jeder Dachau kennt, aber nicht so viel von Dachau kennt, gibt’s a bissel a Nachhilfe. Ganz einfach.“ STEFFEN GRIMBERG