Tödlicher Angriff bei Kundus

In Nordafghanistan sterben beim schwersten Angriff auf Ausländer seit dem Sturzder Taliban zwölf Menschen. Die Region galt bisher als verhältnismäßig sicher

KABUL taz ■ Elf chinesische Arbeiter und ein afghanischer Wächter sind in der Nacht zu gestern bei der nordafghanischen Stadt Kundus von Unbekannten im Schlaf erschossen worden. Mehrere Personen wurden verletzt, davon schwebten zwei gestern noch in Lebensgefahr. Etwa 20 mit Gewehren bewaffnete Männer waren kurz nach ein Uhr laut Augenzeugen in das Lager der Arbeiter eingedrungen und hatten die Chinesen erschossen. Die Mehrzahl der etwa 80 chinesischen Arbeiter, die dort in Zelten schliefen, war erst vor zwei Tagen eingetroffen. Sie sollten für eine von der Weltbank beauftragte chinesische Firma die Hauptverkehrsstraße ausbauen.

Über die Urheber des Anschlags herrschte gestern Unklarheit. Ortsansässige und Quellen der deutschen Botschaft in Kabul wollten weder eine Auseinandersetzung zwischen örtlichen Warlords ausschließen noch, dass der Anschlag das Ziel verfolgte, vor den für September geplanten Wahlen ein Klima der Angst und Unsicherheit zu schaffen. Gegenüber AFP lehnte der Taliban-Sprecher Hamid Agha die Verantwortung für den Anschlag im Namen seiner Organisation ab. „Wir waren es nicht“, sagte er. Der lokale Polizeichef vermutet Kämpfer des mit den Taliban verbündeten Warlords Gulbuddin Hekmatjar hinter dem Anschlag.

Seit mehreren Wochen hat die Zahl der Anschläge und Drohungen gegen internationale und afghanische Hilfsorganisationen zugenommen. Am vorletzten Sonntag war ein UN-Konvoi bei der südafghanischen Stadt Gardes angegriffen worden. Darauf stellte die UN die Wählerregistrierung in der dortigen Provinz vorübergehend ein. Dies wurde auch gestern für Kundus angeordnet. Am Mittwoch starben bei einem Anschlag in der nördlichen Provinz Bagdis drei europäische und zwei afghanische Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen. Die Organisation hat ihre Arbeit in Afghanistan zunächst gestoppt.

Zuvor hatten sich Terrorakte gegen Ausländer auf den Süden und den Südosten konzentriert. Der Norden und speziell die Region Kundus, wo 200 deutsche Soldaten eines militärisch-zivilen regionalen Wiederaufbauteams patrouillieren, galt als relativ sicher. Sowohl Einheimische als auch PRT-Mitglieder bezweifelten jedoch gegenüber der taz die Effektivität dieses Schutzes, zumal die geringe Anzahl an Fahrzeugen dort nur zwei gleichzeitige Patrouillen erlaubt. Die bisherige Stabilität der Region wird vielmehr eher auf die Stärke des lokalen Warlords Daud zurückgeführt. ANTJE BAUER