Polens älteste Kandidatin

Eigentlich hatte sie schon vor drei Jahren den Bettel hinschmeißen wollen. Da war sie 72 Jahre alt und dachte: „Nach elf Jahren im Europaparlament reicht es.“ Doch nun kandidiert Olga Krzyzanowska wieder. Wie Exaußenminister Bronisław Geremek gehört auch sie zum Urgestein der polnischen Demokratiebewegung. „Du kannst die Partei nicht im Stich lassen, wenn es ihr mal schlechter geht“, hatte ihr Mann gesagt. Tatsächlich war die liberale Freiheitsunion bei den Parlamentswahlen 2001 an der Fünfprozentklausel gescheitert. Die energische Ärztin mit den feinen Gesichtszügen steht an der Spitze der EU-Wahlkampagne ihrer Partei. In den Fernsehspots sitzt sie neben einem unbekannten Nachwuchspolitiker, wirbt für die „Autoritäten, deren Stimmen in Straßburg beachtet werden“, und sagt dann mit Blick auf den jungen Mann: „Erfahrung und Zukunft.“ Das solle in Straßburg zählen. Olga Krzyzanowska steht weniger für ein politisches Programm als für ein vorbildliches Leben: Patriotisch waren Vater und Großvater, auch die Mutter gilt als Heldin. Im Zweiten Weltkrieg war sie Kurierin der Londoner Exilregierung Polens und saß im berüchtigten Warschauer Pawiak-Gefängnis. Olgas Großmutter hatte nach dem Tod des Mannes fünf Kinder durch das revolutionäre Russland nach Polen gebracht und dort ganz allein aufgezogen. Für Krzyzanowska ist es ganz selbstverständlich, dass sie „das Richtige“ tut. So erzählt sie es auch auf Wahlveranstaltungen. Das Richtige tut nun auch ihre Tochter, wie sie stolz erwähnt. Magdalena arbeitet in der Menschenrechtskommission des Europarats. GABRIELE LESSER