Europawahl mit Pausen

Wenn die deutschen Wahllokale öffnen, haben fünf EU-Staaten längst abgestimmt. Das viertägige EU-Wahl-Marathon, das gestern begann und erst am Sonntag um 22 Uhr endet, ist dem Beharren auf nationalen Wahlbräuchen geschuldet. 2002 billigte Brüssel Veränderungen im EU-Direktwahlgesetz, die die Vielfalt der Wahlzeiten endgültig erlauben, mit dem Zusatz, dass das amtliche Ergebnis jedes Landes erst publiziert werden darf, wenn das letzte EU-Wahllokal geschlossen hat. Aber was ist mit Prognosen und Hochrechnungen für die Fernsehberichterstattung? In den Niederlanden werden wohl schon heute Einzelresultate bekannt werden, obwohl die EU-Kommission Druck auf Den Haag ausübt, diese zurückzuhalten. Gerade erst ist Deutschland auf dem Weg zu EU-weiten Standards umgekehrt: Die Wahllokale schließen statt um 21 Uhr wieder um 18 Uhr, wie bei Bundestagswahlen. Die Deutschen wollen spätestens am Sonntag um 18.15 Uhr von den TV-Sendern wissen, wer Sieger ist. Dies lässt den Vorwurf der Wahlverzerrung aufkommen. Eine Schlappe der SPD könnte theoretisch noch Wähler in Schweden mobilisieren, die sozialistische Fraktion im EU-Parlament mit einem Votum für die heimische Sozialdemokratie zu stärken. Damit die Bürger aber überhaupt zur Wahl gehen, so die Haltung Brüssels, muss das Verfahren wohl weiter nationale Riten kopieren. Die Zyprioten könnten ja die Wahl boykottieren, wenn die Wahllokale am Sonntag nicht von 12 bis 13 Uhr schließen: für die heilige Mittagspause. OLIVER POHLISCH