Das Bier, die Religion, der Wald

Der Naturpark Schlaubetal ist eins der schönsten Bachtäler Brandenburgs. Vom Kloster Neuzelle aus lässt sich die Gegend gut mit dem Rad erkunden, wenngleich man bei dem unebenen Untergrund manchmal schwer in die Pedale treten muss. Manch einer versackt schon vorher in der Klosterbrauerei

von MARTIN KALUZA

Wer Wochentags zum Kloster Neuzelle fährt, trifft eine schräge Mischung von Leuten an. Jugendliche sitzen rauchend auf den Rückenlehnen der Bänke am Klosterteich, und Rentner fegen grummelnd den Sand beiseite, der auf den Sitzflächen liegt. Menschen zwischen 20 und 60 scheint es hier nicht zu geben.

Die demografische Schieflage hat ihre Gründe. Heinrich der Erlauchte, Markgraf von Meißen und Ostmark hatte das Zisterzienserkloster 1268 gegründet. Als Sachsen nach dem Wiener Kongress die Niederlausitz an das protestantische Preußen abtreten musste, wurde das Kloster aufgelöst und zum Teil in Bildungseinrichtungen umgewandelt. Heute beherbergt das Klausurgebäude ein deutsch-polnisches Gymnasium. Deshalb die vielen jungen Leute. Die Älteren sind hier, um eines der bedeutendsten kulturhistorischen Denkmäler in Brandenburg zu besichtigen. Als die dreischiffige katholische Stiftskirche St. Marien im 13. Jahrhundert erbaut wurde, war sie noch gotisch. Nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde sie dann zur Barockperle umgebaut, wie man sie eher in Bayern als im protestantischen Brandenburg erwarten würde: geschwungene Stuckaturen, aufwendige Fresken und prunkvolle Altäre. Zur Klosteranlage gehören außerdem eine evangelische Kirche, Kreuzgang, Stiftsplatz und der angrenzende Klosterpark. Das benachbarte Bauernmuseum liefert die Erklärung, wo das Geld für die Errichtung der Anlage herkam: Im Archiv liegen Briefe aus der Bauzeit des Klosters, in dem sich die Bauern der Region über die hohen Abgaben beschweren.

Die Neuzeller Klosterbrauerei, die gleich vor dem Eingang zum Kloster liegt, ist nicht ganz unschuldig daran, dass der Bekanntheitsgrad des Ortes mit seinen zweitausend Seelen seit einigen Jahren beständig steigt. 1992 wurde die Brauerei privatisiert und hat es seitdem verstanden, immer wieder in der Zeitung erwähnt zu werden. Neben einem guten Dutzend Sorten Bier, die zum Trinken gedacht sind, brachte die Brauerei in den Neunzigern das „Original Badebier“ heraus, das tatsächlich als Badezusatz gedacht ist. Die Klosterbrauerei hat sich inzwischen den Ruf eines aufmüpfigen Kämpfers gegen den bürokratischen Apparat erarbeitet: Seit zehn Jahren schwelt ein Streit mit der Landesregierung, ob die Brauerei ihren „Schwarzen Abt“ und das „Klostermalz“ unter der Bezeichnung Bier verkaufen darf. Und in diesem Jahr ist ein zweiter Bierstreit hinzugekommen: Auch das „Anti-Aging-Bier“ soll kein Bier sein. Aufmerksamkeit ist damit garantiert.

Wer sich nicht gleich in Neuzelle festtrinkt, sollte den Ort als Ausgangspunkt für eine Radtour durch den Naturpark Schlaubetal nutzen, durch eines der schönsten Bachtäler Brandenburgs, das praktisch völlig unverbaut ist. Die Schlaube entspringt einer ausgedehnten Wiesensenke südlich des Wirchensees und fließt ein paar Kilometer landeinwärts parallel zur Oder. In ihrem Verlauf passiert sie enge Talabschnitte, durchfließt mehrere Seen und wird zu fischreichen Teichen aufgestaut. Bevor sie nach etwa 20 Kilometern in den Großen Müllroser See mündet, wird sie zum Wiesenbach. Die Tour von Neuzelle nach Müllrose ist knapp 40 Kilometer lang. Auf dem Weg zum Schlaubetal über Möbiskruge und Kobbeln bietet sich eine Pause am Kobbelner Stein an. Wer aus den Bergen kommt, den wird der 300 Tonnen schwere Findling aus Granit trotz seiner 25 Meter Umfang nicht so recht vom Sockel hauen. Aber der Krater, den die Kobbelner nach seiner Entdeckung 1926 um den Klotz gegraben haben, ist irgendwie putzig.

Über Treppeln führt die Landstraße schließlich zur Schlaubemühle. Von hier an ist die Strecke praktisch autofrei. Der Schlaube-Wanderweg ist mit einem blauen Balken markiert. Der erste Abschnitt führt durch den Wald am verschlungenen Bach entlang, das Ufer säumen Erlen, naturnahe Wälder, Wiesen und Röhrichte. Eine Rennstrecke ist das gottlob nicht – Wurzeln und manchmal schwerer Boden bremsen die Fahrt und gelegentlich versperren abgeknickte Baumstämme den Weg. An der Jugendherberge Bremsdorfer Mühle vorbei führt der Pfad nach Siehdichum. Auf einer Anhöhe steht das Forsthaus gleichen Namens, heute Hotel und Restaurant. Wer hier übernachtet, hat mitten im Wald einen guten Ausgangspunkt für Wanderungen.

Ab Siehdichum wechselt die Landschaft, und an der Schlaube reihen sich nun Seen auf wie Perlen an der Kette. In Ragow passiert der Wanderweg noch ein technisches Denkmal. Die Ragower Mühle, die inzwischen als Restaurant mit Biergarten genutzt wird, wurde schon im 12. Jahrhundert gegründet und mehrfach um- und ausgebaut. Das Gebäude, das zu DDR-Zeiten geschlossen wurde, ist inzwischen restauriert. Wer von hier aus nicht nach Müllrose zurück möchte, kann auch im nahen Mixdorf einen Zug zurück nach Berlin nehmen.