berliner szenen Wahlkampf auf dem Alex

Feindkontakt

Vielleicht ist ja die gerechte Strafe dafür, der Berliner Vorsitzende der „Republikaner“ zu sein, genau das: Berliner Vorsitzender der „Republikaner“ zu sein. So kam es einem zumindest vor, als man über den Alexanderplatz schlenderte. Dort hatten die „Republikaner“ nämlich einen ihrer Stände für den Europawahlkampf aufgebaut, gegenüber von Kaufhof, im Schatten des vor sich hin gammelnden Zwanzigerjahre-Bürohauses. Mit einer dicken Anlage beschallten sie den Platz, der sich in seiner ganzen großartig-menschenverachtenden Riesigkeit vor ihnen ausbreitete und den Passanten genug Platz gab, den Vortrag von Reinhard Haese weiträumig zu umgehen. Zumal die Sonne ohnehin woanders schien. Niemand blieb also stehen, um zuzuhören, wie Haese, der wirkt wie ein 102 Jahre alter Rentner aus dem nördlichen Wedding, darlegte, dass nur eine Stimme für die „Republikaner“ den „Missbrauch auf allen Ebenen“, vom Kindesmissbrauch über den der Sozialsysteme, den Missbrauch des Gastrechts und was nicht noch alles beende. Fast keiner. Eine Gruppe polnischer Punks waren die Einzigen, die sich Haese zu Füßen hinsetzten und den einen oder anderen seiner Punkte mit johlenden Rufen unterstrichen. Ab und zu stand auch mal einer auf, spuckte kurz aus, um sich dann wieder seinem Rotwein aus dem Tetrapak zu widmen, während ein anderer sich erhob, um irgendetwas in das Hundeknäuel hineinzurufen, das sich neben, über und zwischen den Punks und Reinhard Haese balgte. Keine guten Aussichten für Haese, der sich nicht entmutigen ließ und weiter tapfer jenen Missbrauchern, denen er eigenlich das Handwerk legen wollte, den rechten Weg predigte. „Republikaner“ in Berlin: eine rundum unerfreuliche Existenzform.    TOBIAS RAPP