EM-otionaler Talk

Ab heute pflegt Monica Lierhaus täglich „Ballkontakte“ in der ARD. Zur EM durfte sie nicht mit – wegen der „erfolgreichen Mannschaft“

VON CHRISTIANE MITATSELIS

Monica Lierhaus hat Glück gehabt. Die Sendung, die sie auf der ARD während der Fußball-Europameisterschaft präsentieren darf, heißt „Ballkontakte“. Der Arbeitstitel lautete „Fankurve“ – ein Name, der sicher zu allerlei zotigen Wortspielchen à la „die schönste Kurve der ARD“ angeregt hätte. So etwas bleibt der aparten Rothaarigen von der „Sportschau“ erspart. Überhaupt ist Lierhaus allerbester Dinge. Sie freue sich sehr auf ihre neue Aufgabe, verkündet die Frau, die Anfang des Jahres von Premiere zur ARD wechselte, immerfort.

Mit einer wirklich grandiosen Aufgabe hat ihr neuer Arbeitgeber sie da betraut. An den EM-Sendetagen der ARD wird die 33-Jährige täglich in einem Kölner Studio 45 bis 60 Minuten live talken. Und zwar über emotionale Themen, die über das reine Fußballgeschehen hinausgehen. Die erste Ausgabe des, laut ARD, „völlig neuen Talkformats“ läuft am Samstag um 15.05 Uhr. Gäste sind u. a. Alice Schwarzer und Jörg Pilawa. Wie zu erwarten war, haben sich jede Menge mehr oder minder Prominente wie Rudi Carell, Wolfgang Niedecken und Bärbel Schäfer für spätere Sendungen angekündigt. „Wir möchten interessante Menschen vorstellen, die ihre ganz persönlichen Fußballgeschichten erzählen“, jubiliert die bislang noch talkunerfahrene Gastgeberin.

Das klingt ein wenig nach dünnem Gequassel aus dem Hause Beckmann – und, siehe da, produziert wird „Ballkontakte“ von Beckoffice, einem Ableger von Beckground TV, der Firma von Reinhold Beckmann. Der ARD-Soft-Plauderer, dessen Montags-Talk in den nächsten Wochen als Konserve ausgestrahlt wird, darf während der Europameisterschaft fleißig Spiele kommentieren. Schnell ist man bei der Frage: Warum nimmt die ARD Lierhaus nicht mit nach Portugal? Wo ihre Chefs doch immer wieder betonen, dass sie für eine Frau so erstaunlich viel von Fußball verstehe und noch dazu durch ihr „schönes Exklusiv-Gesicht“ (ARD- Programm-Direktor Günter Struve) bezaubere.

Stattdessen muss sich der gepeinigte Zuschauer weiterhin mit eitlen Männern wie Günter Netzer, Gerhard Delling und Waldemar Hartmann herumschlagen. Lierhaus’ Moderationsstil ist im Vergleich – zumindest war es das in ihren Vor-Talk-Zeiten – angenehm neutral und weniger selbstverliebt. „Wir hatten keinen Grund, unsere erfolgreiche Mannschaft zu ändern“, sagt ARD- Fernsehsportchef Heribert Faßbender. Musste also irgendwie schnell eine Art Notsendung für die Moderatorin gefunden werden, um sie ins EM-Programm zu integrieren? „Nein, nein, so ist es überhaupt nicht!“, sagt Faßbender. „Monica Lierhaus macht in ihrer Talk-Sendung etwas völlig Neues. Sie macht sogar mehr, als sie in Portugal hätte machen können.“ Überhaupt werde durch „Ballkontakte“ eine „neue Farbe“ in die ARD-Fußball-Berichterstattung gebracht.

Hört sich gut an, doch tatsächlich musste sich der Sender dringend etwas einfallen lassen. „Während der EM“, weiß Faßbender, „wollen die Leute am liebsten nur Dinge sehen, die mit Fußball zu tun haben. Das Interesse ist unglaublich groß.“ Das habe die Medienforschung herausgefunden und das bewiesen die Quoten. Deshalb berichtet allein die ARD diesmal insgesamt 75 Stunden über das gut dreiwöchige Turnier. Bei der EM 2000 waren es gemeinsam mit dem ZDF noch 94 Stunden. Im Normalfall, also ohne Verlängerungen, füllen die 31 EM-Spiele, die ARD und ZDF im Wechsel übertragen, 46,5 Sendestunden mit reinem Sport aus. Das heißt: Das Erste muss etwa 50 Stunden auffüllen.

Zum Beispiel mit der täglichen Lierhaus-Stunde. Mit dem Gerede über Fußball und Emotionen will sich die ARD zudem an die begehrte Fernseh-Zielgruppe der Frauen heranschmeißen, die laut ARD-Medienforschung solche Sendungen besonders goutiert. Und Lierhaus habe die Chance sich „als Talkerin zu etablieren“, findet Faßbender. Vielleicht empfiehlt sie sich gar als Urlaubsvertretung für Beckmann. Auch das wäre eine grandiose Aufgabe.