Berlin kommt gleich hinter die Fahne

Berlins Hauptstadtstatus wird im Grundgesetz festgelegt werden. Im Sinne des Senats soll das vor allem Geld bringen

Berlin wird Hauptstadt. Ja, diese Nachricht gibt es im Jahr 2004 tatsächlich. In der Nacht zum Donnerstag einigten sich SPD-Chef Franz Müntefering und CSU-Chef Edmund Stoiber in ihrer Funktion als Kovorsitzende und maßgebliche Mitglieder der Föderalismuskommission darauf. Genau geht es darum: Die Funktion Berlins als Hauptstadt wird ins Grundgesetz geschrieben. Noch genauer: in Artikel 22.

Das ist eigentlich der Flaggenartikel. Er lautet nämlich schlicht: „Die Bundesflagge ist schwarz-rot-gold“, und er könnte nun ergänzt werden: „Bundeshauptstadt ist Berlin.“ Die Frage, die sich aufdrängt: Was soll diese Änderung bringen? Die Antwort: Geld. Berlin ist pleite wie kein anderes deutsches Gemeinwesen seit dem Ende der DDR. Seine Finanzen sind mit 50 Milliarden Euro Schulden strukturell ruiniert. Ohne fremde Hilfe geht bald nichts mehr in Deutschlands größter Stadt.

Diese Wahrheit – seit Mitte der Neunzigerjahre evident – wurde in Berlin erst von der rot-roten Koalition regierungsamtlich anerkannt. Klaus Wowereit (SPD) versucht auf verschiedenen Wegen Finanzmittel des Bundes und der anderen Länder für Berlin zu akquirieren.

Der Regierende Bürgermeister ist dabei durchaus unterschiedlich erfolgreich. Seinen Versuch, eine so genannte „Hauptstadtkommission“ zu etablieren, scheiterte. Gerhard Schröder verwies Wowereit auf Johannes Rau, der zierte sich ein paar Monate und erklärte dann ein solches Gremium angesichts der Föderalismuskommission für überflüssig.

Dieses Gremium beschäftigt sich mit der Neuordnung der als zu verflochten geltenden föderalen Struktur in Deutschland. Berlin ist hier nur ein Randproblem. Die Berliner Ängste wuchsen, als klar wurde, dass mit Edmund Stoiber und Franz Müntefering zwei Politiker aus den großen westdeutschen Flächenländern den Ton angeben würden.

Wowereit ging die Angelegenheit offensiv an: Vor dem ersten Treffen der Föderalismuskommission forderte er, den Hauptstadtstatus festzuschreiben. Genau darin ist ihm die Kommission nun gefolgt, gegen den Widerstand von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD), der alles Herumbasteln am Grundgesetz suspekt ist.

Wowereits Erfolg ist allerdings noch nicht vollständig. Die nun erreichte Erwähnung Berlins im Grundgesetz wird der Idee Rückenwind geben, der Bund sei für seine Hauptstadt stärker verantwortlich als für andere Städte. Aber ein verbindlicher Anspruch darauf, dass der Bund die Kosten der Hauptstadtinfrastruktur übernimmt, ist das noch lange nicht. Darüber – und das ist der finanziell entscheidende Punkt – hat die Föderalismuskommission noch nicht entschieden. Eine Arbeitsgruppe soll klären, ob die heikle Frage ebenfalls im Grundgesetz oder in einem gesonderten Hauptstadtvertrag geregelt wird.

Die lange Suche der Berliner nach fremdem Geld wird also weitergehen. Wichtig wird hier vor allem die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Berlin klagt in Karlsruhe: Hier geht es nicht um den Hauptstadtstatus, sondern um Hilfen zur Haushaltssanierung, wie sie Bremen und das Saarland seit Jahren erhalten. Der in der Stadt hoch umstrittene Sanierungskurs von Wowereits Senat baut jetzt schon auf eine im Berliner Sinne positive Entscheidung.ROBIN ALEXANDER