Reif für die Bombe?

Angeblich hat Nordkorea genug waffenfähiges Plutonium für sechs Atombomen. Washington äußert Zweifel

BERLIN taz ■ Die Krise zwischen den USA und Nordkorea verschäft sich: Nordkoreanische Beamte haben der US-Regierung vergangene Woche mitgeteilt, das Land habe genug Plutonium, um sechs Atombomben zu bauen. Man beabsichtige mit dem Bau der Atomwaffen schnellstens zu beginnen. Dies meldete die New York Times gestern unter Berufung auf hochrangige US-Beamte.

Angeblich hat Nordkorea das waffenfähige Plutonium durch die Aufbereitung von 8.000 Brennstäben gewonnen. Die Brennstäbe waren unter Verschluss gewesen, bis Diktator Kim Jong Il das Team der internationalen Inspektoren vor einem halben Jahr des Landes verwies. Sollte die Information stimmen, dann geriete US-Präsident George W. Bush in Zugzwang, da er vor zwei Monaten gedroht hatte, dass eine Atommacht Nordkorea „nicht toleriert werden wird“. Nun könnte das Pentagon bald angewiesen werden, militärische Maßnahmen gegen das Regime in Pjöngjang zu prüfen, mutmaßt die New York Times. Bisher galt der Bush-Regierung ein Militärschlag als zu riskant.

Noch bestehen allerdings Zweifel am Wahrheitsgehalt der jüngsten Botschaft aus Nordkorea. Es gebe keinen „wissenschaftlichen Beweis“ dafür, dass Nordkorea die Wiederaufbereitung alter Brennstäbe abgeschlossen habe, sagte der südkoreanische Außenminister Yoon Young Kwan am Montag der Nachrichtenagentur dpa zufolge. Auch US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld äußerte laut AFP Zweifel an der Darstellung Nordkoreas: „Manche glauben, was sie sagen, andere glauben es nicht.“

Die Information erreichte Washington nach Angaben der New York Times vor einer Woche bei einem inoffiziellen Treffen nordkoreanischer UN-Diplomaten mit einem US-Beamten in New York. Nun stehe die Bush-Regierung vor dem Rätsel, ob Pjöngjang nur bluffe, etwa um die USA in bilaterale Verhandlungen zu zwingen, oder ob Nordkorea tatsächlich eine atomare Bedrohung darstelle. Bisher lehnt Bush bilaterale Verhandlungen ab und besteht auf einer Einbeziehung Chinas, Japans und Südkoreas.

Wie in der Vorphase des Irakkrieges sollen nun die Geheimdienste in Aktion treten, allerdings unter umgekehrten Vorzeichen: Iraks Diktator habe jahrelang bestritten, Atomwaffen zu besitzen, und die Gemeindienste sollten ihn der Lüge überführen, erklärte ein US-Beamter. Nun habe man es mit einem Diktator zu tun, der behaupte, über ein nukleares Potenzial zu verfügen, und nun gelte es zu ermitteln, ob dies „die große Lüge“ sei. S.L.