Heißer Sommer in Montenegro

Nach einem Sexskandal erschüttern jetzt mögliche Verstrickungen des Regierungschefs in Schmuggelgeschäfte mit Zigaretten die Adria-Republik

BELGRAD taz ■ Der sonst so besonnene montenegrinische Premier wirkt äußerst reizbar. Immer wieder wischt er sich den Schweiß von der Stirn. Nervös reagiert er auf Journalisten, die ihn vor laufenden Kameras mit Fragen überfallen: „Sind Sie in den Zigarettenschmuggel verwickelt? Haben Sie mit der Mafia in Italien zusammengearbeitet? Besitzen Sie Millionenbeträge auf ausländischen Geheimkonten?“

Milo Djukanović weist alle Beschuldigungen von sich. Er sei bereit, seine Unschuld vor einheimischen, europäischen, gar amerikanischen Gerichten zu beweisen. Sollte man einen einzigen Euro auf einem geheimen Konto unter seinem Namen finden, werde er gesetzliche, politische und moralische Konsequenzen ziehen. Zigaretten gingen zwar durch Montenegro, jedoch nicht als Schmuggel-, sondern als „Transitware.“

„Dass ich nicht lache!“, sagt der vierzigjährige Miodrag Perović in einer Kneipe in der Küstenstadt Herceg Novi. Statt sich wie üblich Spiele der italienischen Fußballmeisterschaft im Fernsehen anzuschauen, beobachten Stammgäste gespannt die Pressekonferenz des schwitzenden Premiers. Jahrelang seien täglich mit Zigaretten beladene Schnellboote aus montenegrinischen Häfen in Richtung Italien abgefahren, sagt Perović. Natürlich habe auch Milo abkassiert. Allerdings habe die montenegrinische Regierung während der Herrschaft von Slobodan Milošević und des internationalen Wirschaftsembargos vom Schuggelgeld Renten und Gehälter ausgezahlt, räumt er ein.

Auch die internationale Gemeinschaft drückte beide Augen zu, weil Djukanović Milošević die Stirn bot. Besonders peinlich für Djukanović ist der von der Staatsanwaltschaft in Neapel geforderte Haftbefehl, den die Richterin nur abwies, weil der Premier Immunität genieße.

Die Stimmung in der kleinen Adriarepublik scheint sich gegen Djukanović zu wenden. Wie soll uns ein Premier in die EU bringen, der von europäischen Gerichten wegen der Zusammenarbeit mit dem organisierten Verbrechen gesucht wird?, fragen sich viele. Überdies erschüttert eine „Sex-trafficking Affäre“ Montenegro: Regierungsmitglieder sind wegen Menschenhandels angeklagt. Der Staatsanwalt musste zurücktreten, sein Stellvertreter wurde verhaftet. Beide hatte ein Mädchen aus Moldawien beschuldigt, den Handel mit Frauen in Montenegro organisiert zu haben.

Mit einer Mehrheit im Parlament und der Wahl Filip Vujanović’ zum Präsidenten glaubte Djukanović’ (DPS), die nächsten vier Jahre ohne große Aufregung überstehen zu können. Die „Sex- und Zigarettenaffäre“ macht dem Premier einen Strich durch die Rechnung. Die Opposition wittert Chancen, die EU schaut misstrauisch auf Podgorica.

Verzweifelt versucht sich Djukanović wenigstens bei den USA anzubiedern und bietet an, den Vertrag über die Nichtauslieferung amerikanischer Bürger an das internationale Strafgericht gesondert von Serbien, der zweiten Teilrepublik der Staatengemeinschaft, zu unterzeichnen. Es waren amerikanische Zigaretten, die über Rotterdam und Montenegro nach Italien geschmuggelt worden seien, hört man selbst in Regierungskreisen zynische Bemerkungen über den Versuch des Premiers, sich die Gunst von Washington zu sichern. ANDREJ IVANJI