Grüne Europawahl-Liste wird immer bunter

Parteiveteran Milan Horáček soll für ostdeutsche Grüne antreten. Bayerns Parteichefs begrüßen Reinhold Messner

BERLIN taz ■ Die Schar der grünen Kandidaten für die Europawahl 2004 wird immer prominenter – und bunter. Nach der deutschen Parteichefin Angelika Beer, dem bisherigen französischen EU-Abgeordneten Daniel Cohn-Bendit und dem Südtiroler Klettermaxe Reinhold Messner hat gestern auch der Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Prag, Milan Horáček, sein Interesse an einem Platz auf der deutschen Grünen-Liste angemeldet. „Ich bin bereit“, sagte Horáček der taz.

Der 56-Jährige möchte als „Brückenbauer zu den osteuropäischen Beitrittsländern“ fungieren. Den Grünen in den Beitrittsländern werde es schließlich kaum gelingen, mit eigenen Listen ins EU-Parlament einzuziehen, meint Horáček. „Ich wäre wahrscheinlich quasi der einzige Grüne aus Osteuropa.“ Als Schwerpunkte seiner Arbeit nennt er den Einsatz für Ökologie und Menschenrechte sowie die Bekämpfung der Korruption.

Die Unterstützung des Thüringer Grünen-Vorstands hat Horáček bereits sicher. „Er wäre ein idealer Kandidat“, so Landeschefin Astrid Rothe, seine mögliche Nominierung ein „Signal mit Blick auf die Osterweiterung“. Dass Horáček schon etwas älter ist, stört Rothe nicht. „Jugend allein ist kein Kriterium.“

Wunschkandidat Horáček kann auf eine lange grüne Historie zurückblicken. Nach dem Prager Frühling ging er 1968 ins Exil, nahm die deutsche Staatsbürgerschaft an und wurde Gründungsmitglied der Grünen. In seiner Frankfurter Zeit erwarb er sich ein besonderes Verdienst: Horáček war es, der einem gewissen Joschka Fischer den Grünen-Aufnahmeantrag überreichte. Von 1983 bis 1985 saß er dann in der ersten grünen Bundestagsfraktion. „Ich war ein konstruktiver Fundamentalist“, sagt er heute über seine damalige Rolle.

Nach der rot-grünen Regierungsübernahme 1998 war Horáček als Botschafter in Prag im Gespräch, musste sich aber mit dem Posten bei der Böll-Stiftung bescheiden. Nun sieht es so aus, als ob er in die Politik zurückkehren kann. Gestern Abend trafen sich Thüringer Grüne mit Vertretern aus Sachsen und Sachsen-Anhalt. Der gemeinsame Kandidat der drei ostdeutschen Länder soll Anfang Oktober auserkoren werden. Die endgültige Entscheidung über die grüne Europawahlliste trifft der Bundesparteitag im November.

Dort dürfte es ein ziemliches Gedrängel geben. Falls die Grünen nicht sehr viel besser abschneiden als vor vier Jahren (6,4 Prozent), können sie nur mit sieben bis acht sicheren Plätzen rechnen. Fest gesetzt ist Cohn-Bendit. Die Südwest-Grünen wollen, dass Cem Özdemir nach seiner Hunzinger-Affäre eine neue Chance erhält.

Aus NRW gilt Landeschef Fritjof Schmidt als sichere Bank. Im Norden kämpft Angelika Beer um Zustimmung. Aus Niedersachsen bewirbt sich Rebecca Harms. Die Bayern wollen sich erst kurz vor dem Nominierungs-Parteitag festlegen. Favorit hier: Reinhold Messner.

Die beiden bayerischen Landesvorsitzenden begrüßten gestern „sehr erfreut“ das Angebot Messners, für die deutschen Grünen anzutreten. Der 58-jährige Everest-Bezwinger saß bisher für die italienischen Grünen im EU-Parlament – oder auch nicht. „Wir wissen, dass er manchmal Auszeiten braucht“, sagte Landeschef Sepp Daxenberger der taz. Über Arbeitsweisen müsse man „noch mit ihm reden“. Trotzdem: „Messner würde uns gut zu Gesicht stehen.“ Durch seine Prominenz könne er „wie kein anderer“ die Themen Alpenschutz und Ökolandbau „transportieren“, glaubt Daxenberger. Wie jeder andere Kandidat muss Messner jedoch zum Vorstellungsgespräch beim bayerischen Parteirat Ende Juli. LUKAS WALLRAFF