Donnern auf Balken

Wieviel sind zwei Tage Verletzung der Menschenwürde wert? CDU findet 200 Euro unverhältnismäßig

HANNOVER taz ■ Nach dem Urteil über menschenunwürdige Unterbringung in einem Gefängnis in Hannover übt sich die CDU in Richterschelte. Unions-Fraktionschef David McAllister sagte, Wehrpflichtige müssten sich auch mit sechs Kameraden eine Stube teilen. „Bei Manövern mussten wir uns früher auf Donnerbalken setzen“, sagte McAllister, der früher Zeitsoldat beim Panzerbataillon in Cuxhaven war. „Wo ist bei diesem Urteil die Relation?“, fragte der offenbar bereits zu Sommerloch-Zoten aufgelegte Politiker. Das Landgericht Hannover hatte am Dienstag entschieden, Niedersachsen müsse einem Häftling 200 Euro Schmerzensgeld zahlen, weil er mit vier Mitinsassen zwei Tage lang in einer 16 Quadratmeter großen Zelle verbringen mußte, in der sich die Toilette hinter einem Vorhang befand (siehe taz gestern). Die Unterbringung sei „eine schuldhafte Verletzung des Gebots der menschenwürdigen Unterbringung“ gewesen, Niedersachsen habe damit auch gegen Artikel 1 des Grundgesetzes („Die Würde des Menschen ist unantastbar“) verstoßen, hatte der Richter gesagt.

Justizministerin Elisabeth Heister-Neumann (CDU) erklärte indes, warum sie in Berufung gehen will: „Wenn das Urteil so Bestand hätte, könnte das für das Land Folgen in Millionen-Höhe haben“. Die Zustände im sogenannten Transporthaus in der JVA Hannover, in dem der Häftling eingepfercht war, bestehen noch bis mindestens Anfang 2004 fort. Hier machen pro Jahr mehrere tausend Häftlinge Station. Zudem bekommen Personen für „zu Unrecht erlittene Haft“ derzeit nur elf Euro pro Tag. „Angesichts dessen ist der Betrag von 200 Euro unverhältnismäßig“, hatte ein Sprecher gesagt. Niedersachsen solle zur Entschärfung der Knast-Situation künftig mehr auf gemeinnützige Arbeit und den Täter-Opfer Ausgleich setzen, forderte der Grüne Ralf Briese. Nicht jede Straftat müsse mit Inhaftierung geahndet werden. Oft wäre „Schwitzen statt Sitzen“ die bessere Lösung.Kai Schöneberg