Ohne Schweiß viel Fleiß

Unser Kampf ist Spiel, und unser Spiel ist Kampf: Das Jugendtheaterprojekt der Schaubühne zeigt Zukunftsvisionen – in „Anderwelt“ geht es um Cyber-Sex-Maschinen und um Fantasien von einem keimfrei herangezüchteten Volk

Die Zwiefachen – so heißt die Jugendtheatergruppe der Schaubühne; die DarstellerInnen stammen aus sozial betreuten Wohnprojekten und stellen nun bereits die fünfte Produktion vor: In der Collage „Anderwelt“ geht es um Utopien und den Umgang damit. Die Zukunftsfantasien changieren dabei zwischen futuristischer Technikbegeisterung und poetischer Sehnsucht nach Harmonie und entwerfen die Möglichkeit eines besseren Lebens für die Gemeinschaft, dessen Erfüllung aber zweideutig bleibt.

Wo Roboter dem selbstgenügsamen Lebensmotto „Ohne Schweiß viel Fleiß“ erste Hoffnung versprechen, versagt die Cyber-Sex-Maschine kurz vor dem Orgasmus; wo man den Weg aus einer gewalttätigen, männlichen Welt in eine friedlichere gern auf dem Konto der Emanzipation verbuchen würde, sind den Männern in Wahrheit nur chemisch die Aggressionen entzogen; und wo sich der letzte echte Mensch zugunsten eines keimfreien, lieb gezüchteten Volkes opfert, wirkt das utopisch saubere Anderwelt nicht attraktiver als unsere gegenwärtige Mutter Erde.

Düster also, diese selbst verfasste Collage. Dafür zeigt die Gruppe aber auch, dass der Traum von einem Kollektiv voll Individuen keine Utopie bleiben muss. Das Ensemble zerstreut sich nur, um in Gruppenbildern wieder zusammenzufinden, unterstützt den Einzelnen und fängt ihn auf. Erst schreien sie sich animalisch die Seele aus dem Leib, in der nächsten Sekunde schlummern sie am Boden beisammen wie die Lämmer. Hin und wieder agieren sie auch paarweise, wie es sich für Zwiefache gehört.

Die Inszenierung hat sich die Gruppe durch Improvisation und Bewegungsworkshops selbst erarbeitet – unterstützt durch die Theaterpädagogin Uta Plate. Assoziativ wie im Traum und durch abstrakte Tanzeinlagen fädeln sich die einzelnen Segmente auf. Da die Schauspieler keinerlei Requisiten benutzen, ist ihr wichtigstes Ausdrucksmittel die Pantomime, was die karge Laborlandschaft einmal mehr auf eine Traumbühne hebt, die tatsächlich nur weißes Plastik bedeckt.

Man spürt bei der Aufführung den Enthusiasmus, mit der die Jugendlichen an dem Projekt hängen. Und man freut sich, weil es hier um mehr geht als um Therapieeffekte. Ganz im Sinne einer Zukunftsvision aus Anderwelt, die von einem Noch-Menschen stammt: „Unser Kampf ist Spiel, und unser Spiel ist Kampf.“

MARION DICK

Noch Dienstag, 19.30 Uhr, Schaubühne