berlin wählt brüssel
: Die Stadt der kleinen Parteien

Berlin hat ein Herz für Alternativen. Denn die Berliner Grünen und PDSler sind die Gewinner des Tages. In seinen traditionellen Bezirken Charlottenburg und Kreuzberg erreicht Grün ein historisches Spitzenergebnis von bis zu 42 Prozent. Auch die PDS behauptete sich in ihren Hochburgen in Ostberlin mit Ergebnissen von mehr als 40 Prozent. Die SPD folgt in Berlin dem Bundestrend: im Sturzflug nach unten. Drastisch bleibt auch bei dieser Wahl der Graben, der das politische Ostberlin von Westberlin trennt. Während die PDS in Lichtenberg spielend 43 Prozent erreicht, bekommt sie in schon in Tempelhof mit 3 Prozent kein Bein mehr auf den Boden. Der CDU ergeht es umgekehrt nicht anders.

KOMMENTAR VON ADRIENNE WOLTERSDORF

Das die Konservativen insgesamt in Berlin nur ein Ergebnis von 25 Prozent einfahren können, ist trostreich zu nennen. Hier sucht man seine Enttäuschung über Rot-Grün auf Bundesebene nicht gleich wieder bei der CDU zu heilen. Der SPD hat es nicht geholfen, dass der Sympathieträger und Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit sich mit den Spitzenkandidatinnen für die hiesigen Wahlplakate ablichten ließ. Obwohl die SPD die Hauptstadt regiert, sackte sie hier auf die 19-Prozent-Marke ab. Bei der als Stimmungstest gewerteten Wahl zeigten die Hauptstädter kein allzu großes Vertrauen in die beiden großen Volksparteien, attraktiver erschienen den BerlinerInnen die Programme der kleinen Parteien. Das mag auch daran liegen, dass der EU-Wahlkampf in Berlin äußerst mau gewesen war. In Zeiten, in denen es in Berlin – und anderswo – längst um mehr als nur den Krümmungswinkel der Wurst geht, erfuhren die BerlinerInnen wenig darüber, wie die EU-KandidatInnen Themen wie Privatisierung, Abbau der Daseinsvorsorge und Wettbewerbsdruck angehen wollen. Was bedeutet der Liberalisierungs-Kurs Brüssels für Berlin? Offensichtlich gibt es darauf keine Antworten, dementsprechend war auch die Wahlbeteiligung.