a última verdade
: Draufsterzen!

Das Wort aus Deutschland: „Männer“, schrie Otto vorm Einlaufen, „Männer, heute nur glatte Brüche“

„Draufsterzen!“, schrie der Diddes. Vor ihm stand Niko, der griechische Torwart, die Beine gespreizt und dem Diddes den Rücken zuwendend. Niko war erst kurze Zeit bei den FCK-Amateuren und er verstand nicht mehr als „Danke“, „Bitte“ und „Auf Wiedersehen“. Aber „draufsterzen“?

Immer wenn ich dieser Tage von Otto Rehhagel höre, der kaum drei griechische Worte spricht, kommt mir diese Szene in den Sinn. Immer denke ich an Niko, als dieser mit gespreizten Beinen vor dem Diddes stehend sich hätte „draufsterzen“ sollen. „Draufsterzen“ versteht außerhalb von Kaiserslautern auch in Deutschland keiner. Als aber nach dem zwanzigsten „Draufsterzen!“ Niko immer noch keine Anstalten machte, sich auf den Ball zu werfen, war die Geduld des Zuchtmeisters aufgebraucht. Der Diddes schrie: „Der muss erst mal deutsch lerne. Vorher spielt der net.“ Fortan war „der Grieche“ für den Diddes nur die Nummer zwei.

Dietmar Schwager, den alle Diddes nennen, machte 320 Bundesligaspiele für den FCK. Die Erben Fritz Walters waren zu jener Zeit als Klopper-Truppe verschrien – und Schwager sowie ein gewisser Otto Rehhagel ihre Protagonisten. Als Trainer aber kam der Otto zu ganz anderen Einsichten als der Diddes. In Bremen erfand Rehhagel die kontrollierte Offensive. Der Diddes hingegen verfeinerte seine mittlerweile legendäre Torwartübung nur um kleine Nuancen: „Vorne draufsterzen!“ nannte er seine Taktik; kontrolliert war da gar nichts. Diese naive Taktik strandete oft in Niederlagen. Davon hatte der Diddes irgendwann die Schnauze voll. Wir seien zu brav, konstatierte er und erinnerte sich an den Otto, den er ja laufend mit Werder im Fernsehen gewinnen sah. „Männer“, soll der Otto bei Heimspielen kurz vorm Einlaufen zur Einschüchterung des Gegners geplärrt haben, „Männer, heute nur glatte Brüche.“ Nach diesen Worten verfiel der Diddes in ein lautes Bellen.

Vier Hinausstellungen und eine weitere Niederlage gab es an diesem Tag zu beklagen. Im Spiel darauf fehlte Thomas, unser Stammtorhüter, und der Diddes musste Niko aufstellen. Der monoglotte Grieche hielt den Sieg fest, und der Diddes wunderte sich: „Der spricht kein Wort deutsch – und hält wie ein Weltmeister.“ Trotzdem stand bald wieder Thomas zwischen den Pfosten. Niko rang das nur ein mitleidiges Lächeln ab. Er zuckte künftig auch nicht mehr zusammen, wenn der Diddes bellte. Der stolze Hellene hatte den Diddes verstanden. Als er nach der Saison wieder in die Heimat zurückkehrte, verabschiedete sich Niko mit nur einem Wort: „Draufsterzen!“ TOBIAS SCHÄCHTER