Serben bekennen sich zu Massaker

Der Bericht einer bosnisch-serbischen Untersuchungskommission verweist ausdrücklich auf die Verantwortung der Serben für den Mord an 8.000 Muslimen 1995 in Srebrenica. Zudem benennt er Orte, wo sich weitere Massengräber befinden sollen

VON ERICH RATHFELDER

Erstmals haben Vertreter der bosnischen Serbenrepublik Verantwortung für das Massaker von Srebrenica eingeräumt. In dem Bericht einer bosnisch-serbischen Untersuchungskommission wird die maßgebliche Beteiligung von Einheiten der Armee und der Polizei an dem Mord an mindestens 8.000 bosnischen Muslimen festgestellt. Weiterhin werden in dem Bericht 31 Orte genannt, wo sich Massengräber befinden. 11 dieser Gräber seien bisher noch unbekannt gewesen. Bislang sind in der Umgebung von Srebrenica 5.000 Leichen gefunden worden, von denen 1.200 identifiziert werden konnten.

Die endgültige Version des Berichtes soll am 15. Juli der Regierung der Republika Srpska und dem Büro des Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft übergeben und dann veröffentlicht werden. Nach bisher in Sarajevo erschienenen Presseberichten beinhaltet der Bericht Dokumente, die zeigen, dass die „Operation Krivaja“ im Juli 1995, also der Angriff auf die von Muslimen bewohnte Enklave Srebrenica, in drei Phasen geplant wurde: Nach der militärischen Einnahme Srebrenicas sollten Frauen und Männer getrennt und die Männer liquidiert werden. So jedenfalls soll sich der Hohe Repräsentant Paddy Ashdown in einem Brief an den EU-Außenpolitiker Javier Solana und den Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer über den Bericht geäußert haben.

Nach Informationen aus der serbischen Teilrepublik biete der Bericht detaillierte Informationen über die Teilnahme der militärischen und Polizeieinheiten des Innenministeriums der RS. Er enthalte außerdem die Befehle für die Teilnahme der Polizeieinheiten aus der Serbenrepublik Krajina in Kroatien und der Republika Srpska in Bosnien.

Die seit 1996 in Bosnien und Herzegowina tätige Forensikerin, Ewa Klonowski, die selbst mehrere dutzend Massengräber entdeckt und untersucht hat, hebt gegenüber der taz positiv hervor, dass in dem Bericht der serbischen Kommission immerhin 8 bisher unbekannte Massengräber benannt sind. Sie kritisiert jedoch, dass weiter die Verantwortlichkeiten verschleiert würden. „Die Darstellung der Militäraktion und der daran beteiligten Einheiten ist nach wie vor sehr ungenau“, sagt sie.

Trotzdem wird der Bericht der serbischen Kommission von der internationalen Gemeinschaft positiv bewertet. Ihn zu erstellen ist den serbischen Behörden sicher nicht leicht gefallen. Denn bisher weigerten sich die meisten Parteien und Verantwortlichen in der Republika Srpska, jegliche Schuld zuzugeben.

Jahrelang wurde das Massaker bestritten und lediglich als normale Kampfhandlung im bosnischen Krieg 1992–95 dargestellt. Wer von serbischer Seite die offizielle Version anzweifelte, wurde als „Verräter“ gebrandmarkt. Es kam sogar zu Anschläge auf Journalisten, die nach eigener Recherche die Wahrheit über Srebrenica veröffentlichen wollten. Erst in den letzten Monaten deutete sich eine Wende an. Der Präsident der Serbenrepublik, Dragan Čavić, erklärte, die bosnisch-serbische Öffentlichkeit müsse sich mit Srebrenica erneut auseinander setzen und unangenehme Wahrheiten akzeptieren.

Dem vorausgegangen war starker Druck von Seiten des Hohen Repräsentanten Paddy Ashdown. Gelder für die Partei des als Kriegsverbrecher gesuchten Ex-Serbenführers Radovan Karadžić, SDS, wurden gestrichen, Konten von mutmaßlichen Unterstützern der gesuchten Kriegsverbrecher eingefroren. Nachdem Ashdown auch noch mehrere hochrangige Beamte entlassen hatte, verbesserte sich die behördliche Kooperation.

Kommissionspräsident Milan Bogdanović äußerte die Hoffnung, dass der Bericht Auswirkungen von historischer Bedeutung haben werde. Regierungssprecher Radivojac versprach eine Bestrafung der Täter. Begrüßt wurde der Bericht auch beim Haager Kriegsverbrechertribunal für Exjugoslawien. Florence Hartmann, Sprecherin der Anklage, erklärte, man werde den Bericht auf neue Informationen hin prüfen. Chefanklägerin Carla del Ponte hatte Anfang Juni in Bosnien die Kooperation der serbisch-bosnischen Behörden bei der Suche nach den Kriegsverbrechern angemahnt.

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