Atombehörde hält Iran-Akte weiter offen

Ab heute beschäftigt sich der Gouverneursrat erneut mit Irans Atomprogramm. Während die Experten noch Klärungsbedarf sehen, ist Teheran der Meinung, alle Fragen beantwortet zu haben. EU-Staaten setzen auf diplomatische Lösung des Konflikts

VON BAHMAN NIRUMAND

Abermals steht das Atomprogramm Irans im Mittelpunkt der dreitägigen Tagung des Gouverneursrats der Internationalen Atombehörde (IAEA), die heute in Wien beginnt. Teheran hatte im Mai der IAEA eine über 1.000 Seiten starke Dokumentation vorgelegt, die nach Ansicht Teherans sämtliche offenen Fragen bezüglich seines Atomprogramms beantwortet. Damit werde eindeutig nachgewiesen, dass Iran keine Nuklearwaffen plane und sein Programm ausschließlich friedlichen Zwecken diene, sagte Hasan Rohani, Generalsekretär des Nationalen Sicherheitsrats der Islamischen Republik, und forderte, die Akte Irans endlich zu schließen.

Dem widerspricht die Atombehörde. In seinem vertraulichen Bericht an den Gouverneursrat bescheinigt der IAEA-Generaldirektor Mohammed al-Baradei zwar Irans Regierung Kooperationsbereitschaft, betont jedoch, dass wichtige Fragen noch nicht geklärt seien.

Die Atombehörde verlangt vor allem Auskunft über die Herkunft von angereichertem Uran, von dem IAEA-Inspekteure Spuren in zwei Anlagen in Iran gefunden haben. Zum anderen verlangt die Behörde Aufklärung über die Herkunft moderner Gas-Zentrifugen zur Anreicherung von Uran, mit denen spaltbares Material für friedliche Zwecke und Atombomben hergestellt werden können.

Entgegen früheren Angaben hat Iran eingeräumt, Teile dieser speziellen Zentrifugen aus dem Ausland importiert zu haben. Das angereicherte Uran sei bereits an eingeführten Anlagen vorhanden gewesen. Zuvor war bekannt geworden, dass Iran sich um die Beschaffung von 4.000 Magneten für technische Anlagen zur Urananreicherung bemüht habe. Derzeit ist von zehntausenden Magneten die Rede. Im Hinblick darauf, dass eine Zentrifuge nur zwei Magnete benötigt, gehen Experten davon aus, dass Iran ein weit umfangreicheres Atomprogramm geplant hat, als zugegeben wurde.

Aufgrund dieser Indizien sind die USA überzeugt, dass Irans Pläne zur Herstellung von Atomwaffen weit fortgeschritten seien. Sie verlangen daher die Einschaltung des UN-Sicherheitsrats, der Sanktionen gegen Iran beschließen soll. Dieser Forderung widersetzen sich die EU-Staaten noch. Ihr Ziel ist, den Konflikt auf diplomatischem Wege zu lösen. So haben Deutschland, Großbritannien und Frankreich dem Gouverneursrat eine Resolution zur Verabschiedung vorgelegt, in der sie Iran auffordern, der Fortsetzung der erfolgten Inspektionen zuzustimmen und über die anstehenden Fragen Auskunft zu geben. Dies sei eine „klare Botschaft“, sagte ein Diplomat in Wien. Auch beim G-8-Gipfel auf Sea Island bekundeten letzte Woche die Teilnehmer ihre Entschlossenheit, die Probleme um das iranische Atomprogramm zu lösen.

Indes hat Teheran indirekt mit dem Rückzug aus dem Atomsperrvertrag gedroht, falls die IAEA auf einer Fortsetzung ihrer Überprüfungen bestehe. Es sei nicht „hinnehmbar“, dass „kleinere Fragen“ die Atombehörde hindern, die Untersuchung gegen Iran einzustellen, sagte Außenminister Kamal Charrasi. „Wir werden keine neuen Verpflichtungen akzeptieren.“

Mit solchen Taktiken ist Iran bisher gelungen, die Differenzen zwischen den USA und den wichtigsten EU-Staaten zu eigenem Gunsten auszunutzen. Es fragt sich, wie lange dieses Katz-und-Maus-Spiel fortgesetzt werden kann. Der scharfe Ton der nun zur Abstimmung vorgelegten Resolution zeigt, dass die Europäer die Geduld verlieren. Die Resolution könnte ein letzter Versuch sein, bevor sie sich dem Druck aus Washington beugen.