Gentech-Haftung dann eben ohne die Union

Rot-Grün will das neue Gentechnikgesetz so zuschneiden, dass der Bundesrat nicht zustimmen muss. Umweltverband versucht geheime Standorte mit manipulierten Pflanzen per Klage herauszubekommen

BERLIN taz ■ Diese Woche noch sollen wesentliche Teile des umstrittenen neuen Gentechnikgesetzes vom Bundestag verabschiedet werden. Vor allem die von der Biotech-Industrie vehement abgelehnte gemeinschaftliche Haftung für Gentech-Verschmutzungen der Nachbarfelder wird voraussichtlich Freitag beschlossen. Durch die Splittung des ursprünglich von Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne) vorgelegten Gesetzes in einen vom Bundesrat zustimmungspflichtigen und einen zustimmungsfreien Teil will Rot-Grün die Blockadehaltung der CDU/CSU-Länder umgehen.

Die rot-grünen Abgeordneten greifen damit einen Künast-Vorschlag auf. Nachdem die CDU/CSU-Länder Ende Mai ihren Gesetzesentwurf im Bundesrat abgelehnt hatten, kündigte sie an, dass die Haftungsregelungen dann eben ohne Beteiligung des Bundesrates verabschiedet würden. Auch die Einführung eines Anbauregisters, bei dem Landwirte erfahren können, ob in ihrer Nachbarschaft Gentech-Pflanzen wachsen, könnte ohne Bundesrat in Gesetzesform gegossen werden.

Der Zeitplan ist eng: Heute hat der Verbraucherausschuss des Bundestages kurzfristig eine Reihe von Experten zur öffentlichen Anhörung geladen. Mittwoch schon soll im Ausschuss eine neue Gesetzesvorlage verhandelt werden, am Freitag der Bundestag beschließen. Jahrelang hätten SPD und Grüne die Gentechnik-Regelungen „blockiert“, schimpft der Biotech-Beauftragte der CDU/CSU-Fraktion, Helmut Heiderich, und jetzt sollen die „komplexen Regelungen in einer Woche durch den Bundestag gejagt werden“. Die heutige Anhörung, bei der es vor allem um „Koexistenz“ von konventioneller und Gentech-Landwirtschaft gehen soll, nennt Heiderich ein „Farce“.

Eigentlich hätte das neue Gentechnikgesetz schon im Oktober 2002 in Kraft treten müssen. Dies war der Zeitpunkt für die Umsetzung der EU-Richtlinie für Freisetzungen und das Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen. Zusätzlicher Druck kommt jetzt durch die in sieben Bundesländern geheimen Anbauversuche, die von der CDU-FDP-Landesregierung in Sachsen-Anhalt initiiert wurden. Obwohl nach EU-Recht eigentlich ein Anbauregister schon lange verpflichtend ist, weigert sich die Magdeburger Landesregierung hartnäckig, Informationen über die Standorte herauszurücken. Der Bund für Umweltschutz (BUND) will deshalb auch vor Gericht ziehen, wenn bis heute Mittag die Standorte nicht bekannt gegeben werden. Aber selbst das Magdeburger Umweltministerium will keine Kenntnisse über die Standorte haben. Für den BUND ist das ein Verstoß gegen EU-Recht.

WOLFGANG LÖHR