B – eine Stadt sucht ihren Film

Die Bundeszentrale für politische Bildung benennt 35 Filme für den Schulunterricht. Berlin kommt dabei zu kurz. Die taz präsentiert 13 lehrreiche Berlin-Filme. Filmvorführer Böger, übernehmen Sie!

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

„Das indische Grabmal“ (D 1921) Regie: Joe May. Gedreht wurde der Streifen vor den Toren Berlins in Woltersdorf, der einst größten und prächtigsten Filmstadt Europas. Der betrogene Fürst von Eschnapur, eine Figur, die Drehbuchautor Fritz Lang zunächst für ein eigenes Projekt entworfen hatte, erobert mit Hilfe eines unheimlichen Yogis seine untreue Frau zurück. 30.000 Komparsen wirkten mit. Der Streifen galt lange als der teuerste und längste Film. Obwohl Berlin noch nicht Thema des Films war, fing so alles an. Lerneffekt: Mit Massenszenen zur Filmmetropole.

„M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ (D 1931) Regie: Fritz Lang. Nach einer Serie von Morden im Berlin der 20er-Jahre erzählt „M“ die Geschichte eines psychisch kranken Kindermörders (Peter Lorre), der von Polizei wie Ganoven gleichermaßen gejagt wird. Mit dem Film markierte Lang nicht nur das endgültige Aus für den Stummfilm, er eröffnete damit in Deutschland das Großstadtgenre: den Gansterfilm. Lerneffekt: Vorsicht vor dem Schoko-Onkel.

„Die Mörder sind unter uns“ (SBZ 1946) Regie: Wolfgang Staudte. Das Nachkriegsberlin liegt in Trümmern. Hier begegnet der Kriegsheimkehrer Mertens seinem Frontoffizier, der in Russland Massenerschießungen befahl und jetzt wieder Geschäfte betreibt. Während Mertens den Kriegsverbrecher töten will, sucht die KZ-Insassin Wallner (Hildegard Knef) in dem „Trümmerfilm“ nach anderen Wegen der Vergangenheitsbewältigung. Lerneffekt: „Nazis raus.“

Berlin, Ecke Schönhauser“ (DDR 1956) Regie: Gerhard Klein. Während in Berlin (West) der US-Spielfilm die Kinos erobert, rüstet die Defa zum Klassenkampf. Eine Gruppe „Halbstarker“ lümmelt nachts unter dem Ostberliner U-Bahnbogen an der Schönhauser und denkt an die Verlockungen des Westens – was nach Mord und Totschlag schief geht. Dennoch beschreibt Klein die Sehnsüchte der vorgeteilten Stadt. Lerneffekt: Bei Werbung – „Abschalten“.

Der Hauptmann von Köpenick (BRD 1956) Regie: Helmut Käutner. Berlin, mal lustig, tragisch und als Kampf mit den Behörden wird in der berühmten Geschichte des Schusters Voigt (Heinz Rühmann) – der als Hauptmann verkleidet das Köpenicker Rathaus besetzt – verballhornt. Es ist der Beginn der typischen Berlin-Komödien und des Mottos „Uns-kann-keener“, die bis dato nicht totzukriegen sind. Lerneffekt: Don’t follow leaders.

„Eins, zwei, drei“ (BRD/USA 1961) Regie: Billy Wilder. Eigentlich der Berlin-Film am Vorabend des Mauerbaus, der als Action-Farce den Kapitalismus und Kommunismus – und die Liebe dazwischen – mit toller Musik, rasantem Tempo und guten Schauspielern (James Cagney, Horst Buchholz, Lilo Pulver) aufs Korn nimmt. Der Film machte sich nicht nur über die biederen Deutschen lustig, sondern verschwand lange im Giftschrank – wegen politischer Gotteslästerung. Lerneffekt: Der Kapitalismus siegt!

„Die Legende von Paul und Paula“ (DDR 1973) Regie: Heiner Carow. Wo die Sitten lockerer werden, wie nach 1968 in Westberlin, will auch die DDR nicht hintanstehen und führt die Großstadt-Lovestory im tristen Ostberlin ein. Nach der Erzählung von Ulrich Plenzdorf rauft sich das Paar Paul und Paula zwar, aber es liebt sich doch mit einer ironischen Sicht auf die individuelle Freiheit. „Paul und Paula“ ist ein Vorläufer des DDR-Musik-Films „Solo Sunny“ (1980) von Konrad Wolf. Musik: die Ost-Kultband The Puhdys. Lerneffekt: Boy meets girl.

„Berlin Alexanderplatz“ (BRD 1980) Regie: R. W. Fassbinder. Es gibt Filmkritiker, die behaupten, der Film sei gar nicht zu sehen, so dunkel soll er belichtet worden sein. Fassbinder selbst hat das bestritten, das nostalgische Franz-Biberkopf-Berlin der Weimarer Zeit aber als düstere brodelnde Großstadtkulisse nachgezeichnet. Es ist ein Totentanz auf den Moloch, und nach dem Dreh musste Hauptdarsteller Günter Lamprecht in die Psychiatrie. Lerneffekt: Mehr Licht.

„Du mich auch“ (BRD 1986) Regie: Dani Levi. Dennoch wird Berlin ab Mitte der 80er-Jahre im Film weniger nostalgisch, ideologisch und vergangenheitsbewältigend inszeniert. Es kommen junge Filmemacher, leichte Themen und Experimente wie in „Du mich auch“, einer Kreuzberger „Amor fou“, die den Swing des Kiezes im Kino einführt und dem Geruch der Potse nachspürt. Lerneffekt: Du mich auch.

„Der Himmel über Berlin“ (BRD 1987/88) Regie: Wim Wenders. Die Stadt ist noch geteilt, aber mit den Engeln fliegen wir über die Bombenlücken und die Mauer. Wenders’ melancholisches Epos über Berlin als magischer Ort ohne Zeit und Raum ist ein Klassiker der Stadterfahrung. Lerneffekt: Film kennt keine Grenzen.

„Lola rennt“ (D 1998) Regie: Tom Tykwer. Berlin ist nach dem Fall der Mauer hektisch, endlich wieder Großstadt, und wer wie Lola den Freund vor einer Dummheit retten will, muss sich beeilen. Das neue Berliner Kino kommt nicht nur voll in Fahrt, es macht auch wilde Schnitte und Zeitsprünge, spielt mit Animation und lässt den Rave über die Tonspur hämmern. Lerneffekt: Macht Sport und spart.

„Good Bye, Lenin!“ (D 2002) Regie: Wolfgang Becker. Statt Westflucht nun Ostflucht. Geschichte verkehrt und der Erfolgsfilm in den Kinos. Deutscher Filmpreis 2003. Wir sind wieder wer. Die Stadt, der Film und das Publikum. Lerneffekt: Bilder lügen.