Im Zweifel für den Korpsgeist

Intervention im Hamburger Prügelprozess hat Erfurts leitendem Polizeidirektor Roland Richter ein Verfahren beschert

Roland Richter ist ein Mann, der sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen lässt. Und wird er dann doch einmal nervös, zieht er seine Sätze noch mehr in die Länge, legt noch mehr Betonung in seinen Dialekt und hält einen kurzen Vortrag, der mit dem eigentlichen Thema nicht unbedingt zu tun haben muss. In den nächsten Wochen dürfte Richter noch öfters Anlass haben, sich auf diese Taktik zu verlegen. Denn der leitende Polizeidirektor aus Erfurt, qua Amt mit der Ermittlung von Straftaten betraut, wird selbst vor Kollegen und der Staatsanwaltschaft Auskunft über sein Tun geben müssen. Die Hamburger Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren gegen den 52-Jährigen eingeleitet. Der Vorwurf: Falschaussage vor Gericht und versuchte Strafvereitelung. Im Hamburger Prozess um die Prügelvorwürfe gegen drei Polizisten seiner Bereitschaftseinheit hatte er eine Aussage gemacht, die von einem der Verteidiger später als „glatte Lüge“ bezeichnet worden war.

Es ist nicht das erste Mal, dass Richter selbst ins Visier der Ermittler geraten ist. Im April 2000 hatte das Erfurter Amtsgericht ein Strafverfahren gegen den Polizisten wegen Freiheitsberaubung und Hausfriedensbruch schließlich gegen die Zahlung einer Geldbuße von 2.000 Mark eingestellt. Damals war Richter noch Vizechef des Polizeipräsidiums. In dieser Funktion hatte er im Frühjahr 1997 mehrere Polizeirazzien in Bordellen rund um Erfurt geleitet und war angezeigt worden. Er habe, hieß es, einige der angetroffenen Frauen und Männer „zu hart angepackt“.

In seinen Jahren im Thüringer Innenministerium galt Richter als „graue Eminenz“ der Polizei. Zuletzt war er „Referatsgruppenleiter Einsatz der Polizeiabteilung“ und damit in einer Position, die ihm bei allen wichtigen Entscheidungen die Mitsprache sicherte. Im April diesen Jahres dann wurde er zur Erfurter Bereitschaftspolizei versetzt – eine deutliche Degradierung für einen Mann in seiner Position. Die Versetzung erfolgte nach Abschluss der Ermittlungen in einer so genannten Rotlichtaffäre, in der von Kontakten zwischen Ermittlern und dem Rotlichtmilieu die Rede war. Anfang Januar wurde ein Abschlussbericht veröffentlicht. Richter hatte man zwar keine direkte Beteiligung nachgewiesen. Der Hauptverdächtige aber galt als ein Beamter, der seinen Aufstieg ins Innenministerium mit Richters Hilfe geschafft hatte. Der Bericht schlussfolgerte: Wenn jahrelange Verbindungen eines führenden Beamten ins Milieu nicht auffallen, muss in der Polizeiführung etwas falsch gelaufen sein. Richters Verstzung war seither nur noch eine Frage der Zeit.

Im Hamburger Prozess hatte der schlaksige Beamte dadurch von sich reden gemacht, dass er sich bedingungslos vor die Angeklagten gestellt hatte, obwohl diesen schwere Misshandlungen auf einer Demonstration vorgeworfen wurden. Er hatte durch eigene Intervention versucht, den Prozess zum Platzen zu bringen. Seine Einflussnahmen hatte er mit seiner Fürsorgepflicht gegenüber den Untergebenen begründet. Dass er recht eigene Vorstellungen davon hat, wieweit die Loyalität unter KollegInnen reichen muss, hatte sich zuvor auch schon in Thüringen gezeigt. Richter soll einer der Beamten gewesen sein, die maßgeblich die Auflösung einer damaligen Arbeitsgruppe „Interne Ermittlungen“ betrieben haben.

ELKE SPANNER