EIN „ZENTRUM GEGEN VERTREIBUNGEN“ IST ZIEMLICH ÜBERFLÜSSIG
: Kein Beitrag zur Verständigung

Das Projekt „Zentrum gegen Vertreibungen“ des Bundes der Vertriebenen (BdV) speist sich aus zwei gleichermaßen trüben Quellen. Zum einen sucht der BdV nach einer künftigen Legitimation für seine längst überflüssige Existenz. Er setzt dabei geschickt auf den Mentalitätswandel in Europa. Denn heute gelten Zwangsumsiedlungen nicht mehr als akzeptables Mittel zur Lösung nationaler Konflikte, sondern als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Zum Zweiten will er mittels des Zentrums und der von ihm ausgehenden Meinungsbildung ein günstiges Terrain schaffen für materielle Ansprüche gegen die „Vertreiberstaaten“. Die Versicherung, dem Zentrum eine europäische Vertreibungsperspektive zu geben, ist bloße Girlande, dazu bestimmt, ausländische Kuratoren wie einheimische Sozialdemokraten zu beruhigen.

Unglücklicherweise taugt auch der gut gemeinte Gegenvorschlag eines Europäischen Vertreibungszentrums recht wenig. Zwar waren und sind Vertreibungen in ihrem grauenvollen Ablauf oft ähnlich, aber die Ausgangslagen wie die Folgen sind einfach zu unterschiedlich. So verhält es sich auch mit den Emotionen. Bliebe ein wissenschaftliches Zentrum, das eine vergleichende Perspektive einnimmt und sich von einem richtigen Verständnis von Ursache und Wirkung bei den Vertreibungen leiten lässt. Solch nützliche Arbeit hätte allerdings nichts mehr gemein mit einer politisch wie moralisch aufgeladenen „Zentrums“-Idee. Zur Kenntnis müssten dann auch die zahlreichen Studien genommen werden, die etwa von polnischen und tschechischen Historikern in den letzten Jahren zu Vertreibungen erstellt worden sind.

Zudem bedeutete ein einziges „Zentrum“, dass lokale wie individuelle Initiativen gering geachtet würden. Zumal die Praxis zeigt: Tausende deutscher Vertriebener haben bei ihren Besuchsreisen in die alte Heimat festgestellt, dass die heutigen Bewohner ihrer Häuser ebenfalls Vertriebene sind – von jenseits des Bug. Das hat Verständnis gefördert, manchmal zu Freundschaften geführt. Auch gibt es Initiativen, die solche Begnungen fördern, sie begleiten, darüber publizieren, Ausstellungen veranstalten. Solche Projekte gilt es vor allem zu fördern. CHRISTIAN SEMLER