Schwelen im Wohnviertel

Trotz Bedenken des staatlichen Umweltamtes will Herten seine neue Abfall-Anlage neben ein Wohngebiet bauen

HERTEN taz ■ Der „Blaue Turm“ in Herne wird jetzt auch vom Staatlichen Umweltamt kritisiert: Das geplante Wasserstoff-Kompetenzzentrum liege zu nah an Wohnhäusern. „Der Standort sollte mit Blick auf den Immissionsschutz neu gewählt werden“, heißt es in einer Stellungnahme des Umweltamtes. Außerdem könnten spätere Erweiterungen und Veränderungen zu Problemen in der Nachbarschaft führen.

Die Stadt ist unbeeindruckt von den Empfehlungen des Amtes: Der Bauausschuss verabschiedete am Freitag den ursprünglichen Bebauungsplan mit nur einer Enthaltung. „Das Projekt steht unter Zeitdruck“, sagt Sprecher Norbert Johrendt. Herten habe in den vergangenen Jahren über 12.000 Arbeitsplätze im Bergbau verloren, jetzt müssten schnell neue geschaffen werden. Über 1.000 sollen auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Ewald entstehen. Die Bedenken hätten da keine große Relevanz, sagt Johrendt. „Es ging um die Frage, ob wir die Planungen der letzten sechs Monate wieder zurückdrehen, oder ob wir das Projekt stemmen.“

Der Blaue Turm soll aus Biomasse und Althölzern Energie und Wasserstoff gewinnen, die Gelsenkirchener Firma Masterflex will hieraus dann Brenstoffzellen für „mobile offices“ wie Laptops und Handys produzieren. UmweltschützerInnen und AnwohnerInnen haben sich von Anfang an gegen das Projekt ausgesprochen. Sie befürchten, dass dort gefährliche Stoffe verschwelt würden und giftige Abgase in die Luft der Wohngegend gelangen könnten. Der BUND beklagt schon lange die große Nähe der Firma zur Wohngegend. Nach Ansicht des Umweltverbandes gehört die Blau Turm in die so genannte Abstandsklasse I. Dies würde bedeuten, das im Umkreis von 1.500 Metern niemand wohnen darf – ein Abstand, den auch das staatliche Umweltamt jetzt gefordert hat.

Peter Brautmeier von der Hertener Wirtschaftsförderung findet die Standortfrage nicht relevant. „Wichtig ist jetzt, dass wir die Genehmigung von der Bezirksregierung Münster erhalten.“ Nur wenn diese bis zum 30. Juni vorliege, könne der Turm wirtschaftlich arbeiten: Danach entfällt die besondere Einspeisevergütung für Althölzer. Vielleicht, so Brautmeier, werde dann sowieso nur Grünzeug verschwelt. ANNIKA JOERES