endstation rumpelkammer von JOACHIM SCHULZ
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Bisweilen muss man sich nur trottelig genug anstellen, um aus einer harmlosen Alltagsverrichtung eine Gefahr für die körperliche Unversehrtheit zu machen. Ich jedenfalls habe es in Tat und Wahrheit geschafft, mir beim Hinabsteigen der Kellertreppe dermaßen dumm das Fußgelenk zu vertreten, dass der Knöchel ruck zuck auf Kokosnussgröße angeschwollen ist und ich mich nur noch mit Hilfe zweier Krücken fortzubewegen vermag.

Einen Vorteil aber hat die Malaise doch. Für das folgende Wochenende nämlich haben die Liebste und ich unserer alten Freundin Sybille zugesagt, ihr bei der Wohnzimmerrenovierung zu helfen, und das liefert mir eine Gelegenheit, einen Blick in die Zukunft zu werfen und schon mal zu testen, wie viel Spaß das Leben noch machen wird, wenn ich dermaleinst ein alter, fußlahmer Knacker geworden sein werde und junge Leute nach Lust und Laune herumscheuchen und kujonieren darf.

Infolgedessen bestehe ich darauf, die Liebste trotz Gehbehinderung zu begleiten, lasse mir – bei Sybille angekommen – an zentraler Stelle des Raumes einen Lehnstuhl hinstellen und fange gleich an, mich verbiestert umzugucken.

Als Einstieg für mein Unterfangen dient ein geöffnetes Fenster. „Es zieht!“, knattere ich daher, als die beiden Damen die Pinsel eingetunkt haben und auf die Leitern geklettert sind. Erwartungsgemäß wird mir beschieden, dass das Fenster offen bleiben müsse, um Ohnmachtsanfällen wegen Farbdampfvergiftung vorzubeugen. So leicht aber lasse ich mich nicht aus dem Konzept bringen. „Soll ich mir den Tod an den Hals holen? Bringen Sie mir wenigstens eine Decke!“, fahre ich unwirsch fort, und tatsächlich steigt Sybille seufzend von der Leiter, um mir einen wärmenden Überwurf zu holen.

Zufrieden gestellt bin ich damit freilich noch nicht. „Kaffee wäre auch gut!“, quake ich mithin, als sie zurückgekehrt ist. Sybille rollt die Augen, verfügt sich aber trotzdem in die Küche, und selbstredend freue ich mich diebisch, dass sie nicht nur mir, sondern auch der Liebsten und sich selbst eine Tasse mitbringt.

„Ich bezahle Sie doch nicht fürs Kaffeetrinken!“, belfere ich: „Marsch, marsch, ans Werk!“ Nun aber zeigt sich, dass der Geduldsfaden der jungen Menschen von heute erstaunlich kurz ist. „Es reicht, Freundchen!“, zischt nämlich jetzt die Liebste, während sie mir mit ihrem strengen Zeigefinger die Nasenspitze platt drückt: „Treib’s nicht zu weit!“

Doch einschüchtern lässt sich ein alter Knaster von Format natürlich nicht. „Tragen Sie die Farbe doch nicht so dick auf! Wir haben früher mit einem Joghurtbecher Farbe ein ganzes Zimmer gestrichen“, meckere ich also, als die beiden weitermachen, und: „Das wird ja ganz ungleichmäßig und fleckig! So eine Schlamperei!“ An dieser Stelle aber bereitet man meinem Treiben unverfrorenerweise ein jähes Ende. Denn statt sich für meine hilfreichen Hinweise artig zu bedanken, stapfen die zwei verdrossen zu mir herüber, heben mich mitsamt meinem Lehnstuhl an und tragen mich in die Rumpelkammer. Die sie obendrein von außen absperren! So sieht das aus. Ich sage Ihnen: Wir werden im Alter so manche Prüfung bestehen müssen.