Do-it-yourself-Dildo

Schuhe, Sex und Handarbeit: Der Markt der Frauenzeitschriften in Deutschland ist eintönig. Doch Gegenentwürfe fehlen – anders in den USA: Dort behauptet sich „Bust“ schon im zwölften Jahr

VON VERA TOLLMANN

Alice Schwarzers Emma ist bislang noch nicht neu erfunden worden. Eher im Gegenteil. Frauenzeitschriften in Deutschland zelebrieren das angeblich liberale Frauenbild, indem sie es nach aufgepeppten und dennoch traditionellen Strickmustern messen: Schuhe, Diäten, Sex mit dem Traummann. Ob Jolie, Amica, Petra, Glamour, Brigitte Young Miss oder eben Allegra, deren aktuelle Ausgabe die letzte ist.

Es gibt auch andere Frauenzeitschriften. Bust zum Beispiel. Bust kommt freilich aus New York und ist nicht das Ergebnis einer Verlagsstrategie. Es ist ein popkulturelles Frauenmagazin, dessen Haltung zwischen Underground und Mainstream sich schon im Namen findet: „Natürlich klingt das nach Pornomagazin! Inhaltlich steht Bust aber für unsere Bemühungen, stereotype Frauenrollen und ein einseitiges Feminismusverständnis zu ‚sprengen‘ [to bust]“, sagt Chefin Debbie Stoller.

Letztes Jahr feierte Bust den zehnten Geburtstag. In dieser Zeit hat das Magazin es vom Fanzine zum Hochglanzmagazin gebracht. Die damaligen Herausgeberinnen Stoller und Marcelle Carp arbeiteten 1993 noch beim New Yorker Fernsehsender Nickelodeon, in dessen Büroräumen sie nachts die ersten Ausgaben kopierten und zusammenhefteten.

Als Vorlage für Bust diente die Teenagerzeitschrift Sassy, deren progressive Haltung die beiden bewunderten, denn Vergnügen und nicht Moral war hier die Botschaft. Als ernsthafte Leserinnen fühlten sie sich aber zu alt. Bust sollte ihre Interessen an Mode, Popkultur und Feminismus vereinen. „Denn in dieser scheinbar postfeministischen Ära, in der man nicht einfach in die Fußstapfen seiner Mutter tritt, sondern versucht, zwischen zwanzig und Mitte dreißig einen eigenen Lebensplan zu verwirklichen, hat man es schwer“, so Stoller.

Die Herausgeberinnen sehen sich als Teil des „Third Wave Feminism“, wo Theorie und Popkultur zusammenkommen – man könnte das Bust-Feminismus nennen. Und tatsächlich ist das mittlerweile zu einem stehenden Begriff geworden. Bust gräbt zum Beispiel vergessene Biografien und periphere Phänomene aus, um „Ausnahmefrauen“ eine Geschichte zu geben. So findet sich in der Frühjahrsausgabe 2004 „freaks and geeks“ ein Porträt der Pornofilmemacherin Doris Wishman, die ihre Arbeit in den 60ern aufnahm sowie ein Beitrag über Frauen „Freaks“ in Jahrmärkten zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Natürlich bietet Bust auch Sexthemen ebenso wie Handarbeit. Allerdings kann dort beides auch auf ungewöhnliche Art zusammentreffen. Die aktuelle Ausgabe etwa bietet eine „Do it yourself“-Anleitung für den Dildo-Eigenbau.

Gerade die Sexthemen waren anfangs Anlass für Kritik aus den Reihen älterer Feministinnen. „Es ist wirklich kurzsichtig, Sex als Zentrum des feministischen Diskurses zu ignorieren. Andere stören sich daran, dass wir gleichzeitig traditionelle ‚Mädchen-Themen‘ wie Handarbeiten, Mode und Make-up featuren. Das finde ich genauso kurzsichtig.“ Stoller hat aber den Anspruch, typisch weiblich stigmatisierte Interessen neu zu definieren. Handarbeiten ist nicht gleich antifeministisch, und Betty Page kann auch eine feministische Ikone sein.

Anfangs wurde Bust von Freunden und Freundinnen getragen. Wenig später stieg die studierte Grafikerin Laurie Henzel ins Team ein und gab Bust ein professionelleres Gesicht. Henzel kam und blieb – und gibt auch heute noch gemeinsam mit Stoller das Magazin heraus. Der wachsende Erfolg zog die Aufmerksamkeit der Industrie an. 2000, mitten im New Economy Boom, kaufte die New Yorker Agentur Razorfish das Magazin und zahlte den Redakteurinnen Gehälter. Doch die Agentur ging ein Jahr später, kurz nach dem 11. September 2001, Pleite. Stoller und Henzel kauften zwei Monate später die Rechte an ihrem Magazin zurück. Daraufhin zog die Redaktion in Henzels Wohnung, wenige Meter vom Forbes Magazine auf der 5th Avenue in Midtown Manhattan. Dort entsteht das Magazin auch heute noch – Henzel wohnt inzwischen woanders.

Entstanden war Bust, das sollte man noch hinzufügen, aus der Unzufriedenheit mit dem kommerziellen Angebot an Frauenzeitschriften. Offenbar ist der Leidensdruck hierzulande noch immer nicht groß genug.