Drei Millionen Haushalte sind in den Miesen

Die Überschuldung in Deutschland steigt. Jetzt sollen vor allem Jugendliche den Umgang mit Geld lernen

BERLIN/HAMBURG epd/taz ■ Mit Telefonaktionen, Schulbesuchen und Informationsveranstaltungen in mehreren Bundesländern machen die Schuldnerberatungsstellen in dieser Woche auf die Risiken der Verschuldung aufmerksam. Schon Kinder und Jugendliche müssten im sorgsamen Umgang mit Geld trainiert werden, um spätere Verschuldung zu vermeiden, so Bundesjugendministerin Renate Schmidt (SPD) und Verbraucherministerin Renate Künast (Grüne) gestern in Berlin. Die Arbeiterwohlfahrt forderte, den Umgang mit Geld stärker in den Lehrplänen der Schulen zu berücksichtigen. Mittlerweile ist in einigen Schuldnerberatungsstelle schon jeder dritte Hilfesuchende ein Jugendlicher. Durchschnittlich 4.000 bis 5.000 Euro Miese bringen Jugendliche mit in eine solche Beratungssitzung, aber selbst Verbindlichkeiten über 20.000 oder 40.000 Euro kommen vor. Vor allem teure Rechnungen des Versandhandels und deftige Handy-Gebühren bringen viele junge Leute finanziell in Bedrängnis.

Aber Jugendsünden tragen nur einen kleinen Teil zum Schuldenberg mit bei. Etwa jeder achte Bundesbürger lebt in Armut, hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung ermittelt. In der Tendenz nimmt Armut seit Anfang der Neunzigerjahre langsam, aber sicher zu. Rund drei Millionen Haushalte gelten als überschuldet, das ist eine Millionen mehr als noch vor zehn Jahren, so die Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV). Am stärksten betroffen sind Arbeitslose, Großfamilien, Alleinerziehende, Migranten und Geschiedene.

Trotz der in absoluten Zahlen hohen Armutsrate bewertet der Deutsche Gewerkschaftsbund immerhin positiv, dass es wegen der hohen Fluktuation bei den Betroffenen keine „verfestigte Armut“ in Deutschland gibt. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt der erste „Armuts- und Reichtumsbericht“ der rot-grünen Bundesregierung und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung. Danach gelingt innerhalb eines Jahres etwa der Hälfte der Betroffenen der Aufstieg aus der Armutszone.

Diese Entwicklung würden die Schuldnerberater gerne stärken. Doch Schulden sind „ein Tabuthema in Deutschland“, klagt Marius Stark von der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV). Die Schuldenprofis stellen deshalb ihre Aktionswoche unter das Motto „Knete – Kohle – Kröten … Wir reden über Geld – Redet mit!“ HERMANNUS PFEIFFER

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