Kommunalwahlen werden zum High Noon

PDS erfolgreich dank Wahlfreude der Senioren. SPD schneidet auch bei Kreis- und Stadtratswahlen miserabel ab. Nordrhein-Westfalens CDU-Chef Rüttgers will Rot-Grün mit Hilfe der NRW-Kommunalwahl im September stürzen

BERLIN taz/ap/afp/dpa ■ Für die PDS waren die Kommunalwahlen ein Segen. Als eines der Geheimnisse, warum die Postsozialisten wieder aus der Versenkung aufgetaucht sind, gilt den Wahlforschern der Lokomotiveffekt: Die Kommunalwahlen in drei Bundesländern zogen anscheinend die älteren Semester an die Wahlurnen – und die gaben mit 30 Prozent ihre Stimmen dann auch bei der Europawahl überwiegend an die PDS.

Der PDS gelang es auch deswegen, so mutmaßt die Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen, mit 6,1 Prozent ein für ihre Verhältnisse gutes Ergebnis zu erzielen – das praktisch ausschließlich auf den hervorragenden Resultaten im Osten der Republik fußt. Im Westen ist die Partei des Demokratischen Sozialismus mit 1,7 Prozent der Stimmen ein Nichts. Im Osten wurde sie mit 25,1 Prozent die zweitstärkste Partei nach der CDU, die 34,2 Prozent erhielt. Generell bedeutet das für den Zusammenhang von Europa- und Kommunalwahlen laut dem Meinungsforschungsinstitut Forsa: Nur da, wo die Kommunal- und Europavoten gleichzeitig abgegeben werden, ist die Gruppe der Wähler größer als die der Nichtwähler. So bedeutsam können Kommunalwahlen sein.

Für die SPD gilt das glatte Gegenteil. Sie muss inzwischen sogar auf Kreisebene und in den Städten und Gemeinden schwere Stimmverluste hinnehmen – bloß weil sie im Bund regiert. In Rheinland-Pfalz, wo die SPD mit Kurt Beck einen ihrer stärksten Ministerpräsidenten an der Macht hat, sackte die Traditionspartei bei den Kommunalwahlen um beinahe acht Prozentpunkte weg. Sie kommt landesweit nur noch auf 28,4 Prozent, die No-Name-CDU dort streicht hingegen 46,4 Prozent ein. Und obwohl das ein Menetekel ist, geht es den Sozialdemokraten in Mainz noch gut.

Bei den Kommunalwahlen im Osten hingegen liegt die SPD inzwischen konstant unter 20 Prozent, in Mecklenburg-Vorpommern bei 19,1 (minus 4,9 Prozentpunkte), in Sachsen-Anhalt bei 19,8 (minus 8 Punkte) und in Sachsen nur noch bei 11,5 Prozent (minus 4,5 Punkte). Auch in Baden-Württemberg vertrauen nur noch 22,5 Prozent der SPD auf kommunaler Ebene. Lediglich im Saarland erzielte die SPD landesweit mit 37,3 Prozent ein Ergebnis, das einer Volkspartei angemessen ist. Aber auch an der Saar ist die SPD im Sinkflug. Knappe fünf Prozentpunkte gaben die Genossen an den Urnen nach.

Die Bedeutung von Kommunalwahlen für SPD und Bundesregierung soll aber steigen. Das wünscht sich jedenfalls die Union. Die Kommunalwahlen im September in Nordrhein-Westfalen werden von dem dortigen Landeschef der CDU, Jürgen Rüttgers, zu einer Art High Noon für die Bundesregierung erklärt. Die Stimmverluste der SPD bei der Europawahl, sagte Rüttgers, seien der „Anfang vom Ende von Gerhard Schröder und seiner rot-grünen Regierung in Berlin“. Mittels der Herbst-Kommunalwahlen will Rüttgers das Projekt beenden.

Die Rolle der Entscheide für Kreis- und Stadtparlamente in NRW wird nicht umsonst hoch eingeschätzt. Sie bilden den Abschluss des Superwahljahres 2004 und gelten als letzter Stimmungstest vor den Landtagswahlen im bevölkerungsreichsten Bundesland, die im Mai 2005 geplant sind.

Schon bei den Kommunalwahlen 1999 rutschte die Sozialdemokratie in ihrem Stammland auf 33,9 Prozent ab. Bei den Europawahlen jetzt kommt sie noch auf gute 25 Prozent – und liegt damit bereits 20 Prozentpunkte hinter der Union, die 44,9 Prozent errang. Jürgen Rüttgers hofft, den Trend am 26. September fortzusetzen. CIF