Geduld mit dem Vermieter belohnt

Wer wegen Wohnungsmängeln die Miete kürzen will, muss nicht mehr binnen sechs Monaten handeln, entschied der Bundesgerichtshof. Außergerichtliche Lösungen erleichtert. „Verwirken“ kann man Anspruch auf Mietminderung aber noch

aus Freiburg CHRISTIAN RATH

Zaghafte Mieter können sich künftig länger überlegen, ob sie die Miete mindern wollen. Dies entschied gestern der Bundesgerichtshof in einem Grundsatzurteil. Die bisherige Sechsmonatsfrist entfällt.

Im konkreten Fall wollte ein Mieter wegen dauernder Lärmbelästigung aus der Nachbarwohnung die Miete mindern. Allerdings dauerte die Störung bereits seit rund zwei Jahren an, ohne dass der genervte Mieter seine Miete gekürzt hatte.

Keine Chance – sagten da die unteren Instanzen und beriefen sich auf höchstrichterliche Urteile. Demnach musste bisher die Miete spätestens sechs Monate nach Auftreten der Störung gekürzt werden. Wer zu langmütig war oder auf vage Zusagen des Vermieters vertraute, verlor nach sechs Monaten das Recht zur Mietminderung.

Diese Fristen-Regelung stand zwar nicht im Gesetz, aber der Bundesgerichtshof sah damals eine Lücke und füllte sie – vermieterfreundlich – durch Richterrecht. Bei der rot-grünen Mietreform im Jahr 2000 stellte allerdings die damalige Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) klar, dass das Gesetz in voller Absicht auf eine Frist verzichtet habe. Dies akzeptierte jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) und gab gestern die Sechsmonatsfrist auf.

Künftig können Mieter also auch dann den Mietzins mindern, wenn ihre Geduld erst nach neun Monaten oder einem Jahr erschöpft ist. Der Deutsche Mieterbund begrüßte gestern die Entscheidung: „Damit sind die Chancen für eine außergerichtliche Streitbeilegung deutlich gestiegen“, sagte der Vorsitzende Franz-Georg Rips.

Die Vermieter-Organisation „Haus und Grund“ wollte das Urteil erst einmal gründlich prüfen. Ob der Kläger im BGH-Fall allerdings am Ende Recht bekommt, ist noch offen. Auch wenn die Sechsmonatsfrist nicht mehr gilt, so der BGH, müsse das zuständige Oberlandesgericht noch prüfen, ob der Mieter seinen Minderungsanspruch verloren hat, weil er ihn „verwirkt“ oder auf ihn „stillschweigend verzichtet“ hat. Anders als bei der bisherigen starren Frist, kommt es hier aber auf das Verhalten aller Beteiligten – Mieter, Vermieter und Störungsverursacher – im Einzelfall an.

Die neue Rechtsprechung gilt auch für Mietverhältnisse, die früher geschlossen wurden, allerdings nur für Mieten, die ab dem 1. September 2001 fällig wurden. In diesem Monat trat das neue Mietrecht in Kraft. Viele Mieter fühlten sich damals ermutigt, auch ältere Mietmängel mietmindernd geltend zu machen. Grundsätzlich kann die Miete nur für die Zukunft gemindert werden.

Ein ganz anderes Problem stellt sich bei Mietmängeln, die sich verschlimmern können, zum Beispiel bei Schimmelbefall oder Feuchtigkeitsschäden. Hier muss der Mieter laut Bürgerlichem Gesetzbuch „unverzüglich“ dem Vermieter Bescheid sagen. Verschlimmert sich wegen der Zögerlichkeit des Mieters ein Schaden, muss der Mieter dem Vermieter Schadenersatz bezahlen. (Az: VIII ZR 274/02)

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