Am Tresen: Hans Eichel

Der Cocktail zur Finanzierung der Steuerreform, den Rot-Grün gestern präsentierte, schmeckt nur wenigen

aus Berlin CHRISTIAN FÜLLER

Wird er jetzt wieder der Liebling der Nation? Hans Eichel (SPD) schenkt den Deutschen kommendes Jahr insgesamt 22 Milliarden Euro, indem er die Steuern schneller als geplant senkt. Das freut Bürger und Unternehmer. Aber die Wirtschaftsinstitute mäkelten gestern sogleich: Zu viele Schulden würden gemacht und zu wenig Subventionsabbau finde statt. Was die Konjunkturexperten nervt, ist die Art, wie der Finanzminister die auftretenden Steuerverluste des Staates ausgleichen will. „Was Eichel jetzt macht, ist von der Struktur her nicht optimal“, sagte Rolf Kroker vom Kölner Institut der deutschen Wirtschaft.

Tagelang hatte der Finanzminister die Republik mit einem geheimnisvollen Eichel-Cocktail auf die Folter gespannt. Eine Mixtur aus Neuverschuldung, Privatisierung und Subventionsabbau solle helfen, das Bundesbudget für 2004 im Lot zu halten. Denn neben den 15,5 Milliarden Euro, die die Steuereform 2004 kostet, wird das Vorziehen der für 2005 geplanten Reformstufe den Bundeshaushalt mit weiteren rund 7,5 Milliarden Euro belasten. Doch woher soll der Staat das Geld nehmen, das er Bürgern und Unternehmern zum Zweck des Aufschwungs in die Hand drückt?

Gestern lüftete Eichel sein Geheimnis – und dabei wurde klar: Es wird neben den Wirtschaftsforschern noch zwei andere Gruppen geben, denen der Eichel-Cocktail nicht schmeckt. Zum einen die Bundesländer – denn sie müssen versuchen, mit eigenen Privatisierungen ihre Steuerausfälle im Jahr 2004 zu kompensieren. Aber auch die Union und besonders Roland Koch stehen nun unter Zugzwang. Sie müssen eigene Vorschläge zum Subventionsabbau machen – sonst stehen sie als Blockierer einer Steuerreform da, die sie immer wollten.

Hans Eichel will die Kosten des Bundes für die Steuerreform vor allem über neue Schulden ausgleichen. 7,5 Milliarden Euro muss er finanzieren. Davon sollen knapp 5 Milliarden über zusätzliche Kredite erlöst werden – der Löwenanteil. Nur knapp 2 Milliarden Euro sollen über Privatisierungen hereinkommen. Bei den Subventionskürzungen hält sich der Finanzminister vornehm zurück. Er will 600 Millionen Euro erwirtschaften, indem er die komplizierte Systematik der Vorsteuerverrechnung in der Baubranche und in der Landwirtschaft ändert.

Eichels Mixtur mag für den Bund bekömmlich sein, für die Länder ist sie ungesund. Immerhin kostet auch sie die Steuerreform gute 6 Milliarden Euro, die ihnen an Steuereinnahmen entgehen. Es gab gestern aber so gut wie keine Kompensationsangebote der Bundesregierung an die Landesfürsten, seien sie nun schwarzer oder roter Coleur. „Da müssen die Länder schauen, wie sie eigene Privatisierungserlöse erzielen“, sagte Eichel mit gespielter Unschuld. Und der Kanzler meinte beruhigend, es handle sich ja nur um eine „einmalige“ Finanzanstrengung, die seine Kollegen Regierungschefs in den Ländern zu unternehmen hätten. Tatsächlich konnte jeder Landesfinanzminister wissen, was kommt. Die Steuerreform stand für 2005 bereits im Gesetzbuch, sie soll nun lediglich ein Jahr schneller kommen.

Die Länder haben, wenn sie ihre bereits jetzt angespannten Haushalte nicht vollends ruinieren wollen, nun zwei Möglichkeiten. Sie können, wie Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) es vorschlägt, gemeinsam mit dem Bund die Schulden erhöhen. Oder, was der Königsweg von Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) ist, sie müssen Subventionen abbauen, also Beihilfen, Zuschüsse, und Steuervorteile reduzieren. Der Unionsstar aus Hessen, der seit Monaten mit seinem SPD-Kollegen Steinbrück an den Subventionen feilt, will aber offenbar „seine“ Vorschläge nicht für eine Steuerreform verschleudern, die der Regierung in Berlin gutgeschrieben wird. Er erwarte die Konzepte der „Arbeitsgruppe Koch/Steinbrück“, sagte Eichel. Und Hessens Ministerpräsident reagierte gereizt darauf. „Es ist eine Provokation, den Ländern und Gemeinden zu sagen, wir finanzieren keinen Cent gegen“, meinte er. Koch sieht die Bringschuld weiter bei der Bundesregierung.

Und die Grünen? War es nicht Eichels Koalitionspartner, der stets gewarnt hat: Bitte wenig neue Schulden für niedrige Steuern! Offiziell deklarieren sie die neuen Kredite von 5 Milliarden Euro nun als „Obergrenze“. Und intern hoffen die Ökos auf den Aufschwung: Er werde Steuern in die Kassen spülen – und die Verschuldung so begrenzen.