Wackelvasen als Pluspunkt

Die Heimaufsicht kontrolliert Bremens Senioren- und Behindertenheime – und zeichnet ein insgesamt positives Bild

Misstrauen ist angebracht: Weil unter Spardruck oft die Qualität leidet, kontrolliert die Heimaufsicht oft auch ohne Ankündigung

Das Stiftungsdorf im Hollergrund dürfte ein Vorzeigeprojekt der Bremer Heimstiftung sein. Eine naturverbundene Anlage, durchzogen von Gärten und Wasserzügen, gelegen am Rande der Wümmeniederung. 73 seniorengerechte Wohnungen und 40 Pflege-Appartements, im „Snoezelraum“ soll eine Mischung aus Farbe, Klang und Licht die Bewohner entspannen, der Hausbus besorgt den Fahrdienst. Der zumindest oberflächliche Eindruck hinterläßt das Gefühl, dass alte Menschen dort gut aufgehoben sind.

Aber ist wirklich alles so gut, ist Geborgenheit in der Altenpflege nicht nur eine wohlklingende Hülle? Es bedarf im sensiblen Bereich der Pflege einer unabhängigen Einrichtung, die zu mehr befugt ist als zum oberflächlichen ersten Blick. Die Heimaufsicht ist die dafür in Bremen zuständige Einrichtung. Angesiedelt bei der Sozialbehörde, ausgestattet mit knapp sechs Stellen, prüft und beaufsichtigt sie die jeweils 90 Bremer Pflege- und Behindertenheime. Wenigstens einmal im Jahr soll jedes Heim aufgesucht und nach verschiedenen Kriterien kontrolliert werden.

Vergangene Woche stellte die Heimaufsicht ihre Arbeit vor; als Ort hatte sie das Café des Stiftungsdorfes im Hollergrund ausgewählt. Ein Ort des Geschehens also, an dem es nichts zu beanstanden geben dürfte, wo doch selbst die Vasen auf den Tischchen seniorengerecht ausgewählt sind: Ihre Böden laufen spitz zu, also wackeln sie und mit ihnen die roten Tulpen hin und her, ohne den Halt zu verlieren. Das erheitere die alten Leute und sorge stets für Gesprächsstoff, sagt eine Stiftungsdorf-Mitarbeiterin.

So etwas sieht die Heimaufsicht gerne, wenn sie ihre Rundgänge macht. Denn es geht ihr neben dem baulichen Zustand, dem korrekten Umgang mit Medikamenten, der beständigen Qualifizierung der Mitarbeiter auch um das allgemeine Wohlbefinden der Bewohner. Und wenn da kommunikativ anregende Vasen auf den Tischen stehen, dann ist das ein – wenn auch kleiner – Pluspunkt.

Aber: Misstrauen ist angebracht bei der Aufsicht der Heime und ihrer Betreiber. Oft sind die dem Vorwurf ausgesetzt, an der Betreuung der Alten zu sparen, wo es eben geht – nicht selten auf Kosten der Qualität. Um nicht hinters Licht geführt zu werden, hat sich die Heimaufsicht deshalb angewöhnt, wechselweise angemeldet und unangemeldet die Heime aufzusuchen. „Nicht, dass schwere Mängel nach der Anmeldung unseres Besuches provisorisch verdeckt werden“, sagt Ulla Döring von der Heimaufsicht.

Bei den unangemeldeten Besuchen werden die Heime vor allem aus Bewohnersicht unter die Lupe genommen: Fühlen sie sich wohl, was fehlt ihnen, was könnte besser sein? Das sind Fragen, die dann gestellt werden. Und die Heimaufsichtler sehen auch so einiges, was sie bei der Heimleitung ansprechen. Betätigen sie etwa den Zimmernotruf und es taucht minutenlang keine Pflegekraft auf, wird das beanstandet. In der Regel, so der Leiter der Heimaufsicht, Martin Stöver, würden solche Mängel sofort behoben – wenngleich er die schnelle Erreichbarkeit des Personals als „typischen Mangel“ ausmacht, über den sich vor allem Angehörige von Bewohnern beschwerten.

Solche Beschwerden nimmt die Heimaufsicht bei Häufung oder bei besonders krassen Fällen zum Anlass für Besuche außer der Reihe. Derzeit etwa überprüft die Behörde das Pflegeheim am Bürgerpark in Bremerhaven. Der Bremerhavener Betreuungsverein hatte diverse teils heftige Beschwerden gesammelt (taz berichtete). Laut Martin Stöver von der Heimaufsicht dauert die Prüfung an. Wegen der Schwere der Vorwürfe werde besonders gründlich kontrolliert. Eine akute Gefährdung der Bewohner liege aber nicht vor, ein Mitarbeiter der Heimaufsicht habe allerdings für Sprechstunden dort vorübergehend ein Büro bezogen, da die Heimmitarbeiter schlecht erreichbar waren.

In besonders schweren Fällen kann die Heimaufsicht den Trägern den Betrieb eines Heims untersagen, in weniger schlimmen Fällen kommen Betreiber mit Geldstrafen davon. Laut Stöver würden die meisten Mängel allerdings nach Beanstandung und einer Beratung durch die Heimaufsicht beseitigt. Insgesamt zeichnete er ein positives Bild der Bremer Heime: Die Mehrheit der Bewohner sei mit der Ausstattung und der Qualität der Pflege zufrieden, unglücklich seien die meisten mit der Gesamtsituation. Ein Leben im Heim haben sich die wenigsten von ihnen freiwillig gewählt.

FELIX ZIMMERMANN