Verschnitt der Kulturen

Raffiniert und scharf gewürzt. Eine ungezähmt einfallsreiche, vielseitige Fusion des karibischen, europäischen, afrikanischen und asiatischen Kochens findet in der kreolischen Küche statt. So wurde „Creole“ zum Markenzeichen eines bundesweiten Wettbewerbs, mit dem ein Trägerkreis musikalische Kulturmixer fördern möchte. 56 Bands aus Niedersachsen und 15 aus Bremen hatten sich für die Regionalausscheidung im Nordwestens beworben, eine Jury siebte zwölf heraus. Die hatten nun vor gut 1.000 Besuchern im Bremer „Schlachthof“ zwei Sieger auszuspielen.

Nein, den Weltmusik-Superstar hat Deutschland nicht gesucht. Sehr wohl aber sollte Weltmusik made in Germany aus einer Art Dissidenz zum Angloamerikanischen heraus propagiert werden – und ein wenig getrommelt, gefiedelt, geflötet für gelungene Integration: „Musik verbindet“, lautete die schlichte Begründung von Bremens Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz, warum ihr Ressort wie auch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur die Veranstaltung fördern. Durchaus glaubwürdig: Zeigt sich bei „Creole“ doch, wie Musizier-Horizonte selbst von solchen Gruppierungen ineinander geblendet werden können, die einander bislang vornehmlich umgebracht oder schlicht nie gesehen haben. Dass Musiker wie Zuhörer unterschiedlicher Prägungen zumindest zusammenkommen – auch so ein Ziel.

Beim Bremer Festival der Norddeutschen Dorfmusik mit Migrationshintergrund wurde das erreicht. Vielleicht weil nicht groß von Wurzeln oder Authentizität geraunt, das eigene Tun kaum politisch ausgedeutet wurde. Sondern Weltmusik als Selbstbedienungsladen demokratisiert: Die Musikindustrie mag den letzten Kehlkopf-Jodler aus der Mongolei vereinnahmt haben, das Internet aller Himmelsrichtungen Klänge verfügbar halten: Die Globalisierung kreiert einen Sound der Gegenglobalisierung, den Verschnitt der Kulturen. Aneignung als Remix aus lokaler Perspektive.

Beim kreolischen Weltmusikmaskenball ist alles erlaubt. Da reicht es, wenn „Wüstensand“ aus Georgsmarienhütte ein arabisches Klangidiom nachempfinden und eine Georgierin singen lassen. Oder dass Sephardisches im Popgewand von einer Ukrainerin interpretiert wird wie bei „Ladino Azahar“, Hannover: Mitmachen darf, wer sich mit „einer oder mit verschiedenen regionalen oder lokalen Musikkulturen“ auseinander setzt. So ist eine balladeske Kerzenschein-Vertonung von Friedrich Hebbels Ode an die Mitternacht zu erleben, ebenso finnische Tangos, grandios in Gummistiefeln interpretiert von Anna-Katariina Hollmérus, Melle.

Frappierend: die Vielfalt. Jede Band darf nur 20 Minuten spielen. „Das ist so wie Europa-in-drei-Tagen für Japaner“, so Annika Frech, Sängerin von „Ayassa“, Hannover. „Aber wir versuchen euch in der kurzen Zeit an unsere Lieblingsspielplätze zu führen.“ Für Zuhörer ein abwechslungsreiches Spektakel – für Tanzwillige umso schwieriger.

Ach ja: Gewonnen haben „Safkan“ und „Skalinka“; die Osnabrücker tobten türkischen Metal-Pop, die Hattener boten fidelen Ska auf Abi-Party-Niveau. Raffiniert oder auch nur scharf gewürzt war das nicht. Freuen dürfen beide Bands sich über je 1.500 Euro – und die Teilnahme am Finale in Berlin. JENS FISCHER

„Creole“-Regionalentscheid für Hamburg und Schleswig-Holstein: 27. 2 bis 1. 3., Hamburg, Goldbekhaus