kuckensema: auf bremens leinwand
: Der Star ist das Kino

Zu seinem 30. Jahrestag zeigt das Bremer Kommunalkino unter dem Motto „kinoverrückt - filmverliebt“ eine Reihe von Filmen übers Kino. Zum Abschluss läuft nun eine holländische Hommage an einen der Kinomogule der 20er und 30er Jahre. Damals waren die Kinos die Kathedralen der Moderne, und das Tuschinski-Theater in Amsterdam war vielleicht in Europa der prunkvollste Prachtbau dieser Epoche.

So ist der Titel Der Größte derGrößten gar nicht so abwegig: Der 75 Minuten lange Film ist die gründlich recherchierte und chronologisch erzählte Biografie des Schneidersohnes Abraham Tuschinski, der in einem polnischen Shtetl aufwuchs und 1904 in Richtung Westen floh, um nicht als Kanonenfutter für den russisch-japanischen Krieg eingezogen zu werden. Eigentlich wollte er wie alle nach Amerika, aber auf dem Wege dorthin merkte er, dass man auch in den Niederlanden gut Geld machen konnte.

Sein erstes eigenes Kino war noch eine baufällige Kirche in Rotterdam, die bald abgerissen wurde. Also ließ er selber Kinos bauen. Mit seinem guten Instinkt dafür, was das Publikum wünschte, hatte er großen Erfolg: Seine Kinos wurden immer größer und feudaler. Heute kann man sich kaum noch vorstellen, wie aufwändig und grandios sie damals waren.

Doch nach etwa einem Drittel des Films wird man wirklich verblüfft. Bis dahin gab es neben obligatorischen alten Filmausschnitten, Fotos und vergilbten Zeitungsartikeln einige liebevoll nachinszenierte Sequenzen – etwa von einem Kinoerzähler, der dem Publikum den Stummfilm während der Projektion erklärt, dabei aber nicht verhindern kann, dass sich die Männer bei den Cowboyfilmen im Parkett genauso prügeln wie ihre Helden auf der Leinwand. Doch dann wird von Tuschinskis größtem Werk, dem nach ihm benannten Theater in Amsterdam erzählt, und die Kamera zeigt uns deren Jugendstilfassade, ihre Art Déco-Foyers, die riesigen Säle, ja sogar die Kinoorgel. Langsam begreift man, dass dieses Kino zumindest während der Drehzeit des Film im Jahr 1999 noch existiert hat.

So wird das Tuschinski Theater schnell zum eigentlichen Star des Films. Man bekommt zumindest eine Ahnung davon, dass damals ein Kinobesuch das Publikum in eine Traumlandschaft entführte und dass er mit Vorfilmen, Vaudeville und langen Pausen, in denen das Orchester Tanzmusik spielte, wirklich abendfüllend war. Ein Platzanweiser von damals erzählt, wie Marlene Dietrich, um den Menschenmassen zu entkommen, durch die Hintertür verschwinden wollte und dabei in seinen Armen landete – er wäre wohl der einzige Holländer, dem je diese Gunst gewährt wurde.

Die Geschichte endet auf einer tragischen Note: Abraham Tuschinski und die meistens seiner Verwandten wurden 1942 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Wilfried Hippen

Läuft im Kino 46 – Termine siehe Kino-taz