Beim Promi-Friseur (3)
: Demo-Talk mit Herrn Martenstein

Am Sonntag habe ich Harald Martenstein getroffen – bei einer Demo, auf der tausende von AramäerInnen gegen einen Prozess gegen ihr Kloster in der Türkei protestierten. Die Aramäer sind syrisch-orthodoxe Christen, die ursprünglich im Südosten der Türkei zu Hause waren, heute aber über die ganze Welt verstreut in der Diaspora leben. Dass ich bei ihrer Demo war, hat damit zu tun, dass ich bei der taz für das Thema eingewanderte Minderheiten zuständig bin. Dass ich dort Harald Martenstein kennengelernt habe, liegt aber an unserer gemeinsamen Friseurin. Die heißt Shmuni und ist Aramäerin.

Nun hatte ich in meiner letzten Kolumne über Shmuni, „den Martin“ Martenstein und mich versprochen, nichts mehr über Haare, Volumen und so weiter zu schreiben. Tatsächlich haben Herr Martenstein und ich auf der Demo recht wenig über diese Themen gesprochen, wenn man bedenkt, dass eben die uns ja miteinander bekannt gemacht haben.

Nur so viel: Shmuni hat seine Haare doch viel mehr gekürzt als meine. Deshalb ist das mit meinem „größeren Volumen“ auch erklärlich. Mit so kurzen Haaren, wie sie Herr Martenstein jetzt hat, kriegt man natürlich nicht so viel Volumen hin. Das wächst aber wieder!

Stattdessen haben Herr Martenstein und ich über Vor- und Nachteile von Islam und Christentum geplaudert, von Machismus bei Männern und Reisefreiheit für Frauen. Das war sehr interessant, und Herr Martenstein ist, was keinen verwundern wird, der seine Kolumnen liest, ein kluger Gesprächspartner.

Ich habe allerdings aus der Erfahrung mit meinen Promifriseurkolumnen etwas gelernt: Solche ernsten Themen interessieren die LeserInnen weniger, Friseurgeschichten dagegen mehr. Während meine Appelle für gerechtere Bildungs- und Integrationspolitik meist ohne jede Resonanz verhallten, machen mich die Friseurtexte populär. Selbst meine FreundInnen „mit Migrationshintergrund“, die erst fürchteten, dass ich mit meiner neuen Betätigung als Promifriseur-Kolumnistin die gute Sache verraten könne, sind beruhigt, seit sie wissen, dass meine Friseurin Aramäerin und damit Angehörige einer mehrfach diskriminierten Minderheit ist.

Herr Martenstein hat mir bei unserem wirklich ganz kurzen Gespräch über Haare etwas Interessantes erzählt: Die Friseurinnung schreibe einen Medienpreis aus, der mit 20.000 Euro dotiert sei. Es ist erstaunlich, was in anderen Themenfeldern so möglich ist. ALKE WIERTH