Sammer bleibt Sammer

Borussia Dortmund gewinnt sein Ligapokalspiel gegen den VfL Bochum mit 2:1, muss diesen Sieg aber mit Kreuzbandrissen bei Evanilson und Frings teuer bezahlen

WATTENSCHEID taz ■ Matthias Sammer ist unberechenbar; das wissen seine Spieler, das wissen alle. Wenn er seinem Team, welches laut Christian Wörns soeben das „beste Vorbereitungsspiel seit vielen Jahren“ abgeliefert hat, mitunter „Zirkusreife“ attestiert, sollte das niemanden mehr überraschen. Der Dortmunder Trainer wollte nach dem 2:1-Sieg im Ligapokalspiel gegen den VfL Bochum nur nicht in die allgemeine Lobhudelei über seine Mannschaft einstimmen. Und so erinnerte sein Auftritt bei der Pressekonferenz stark an die mürrischen, weltfernen Kommentare der letzten Saison. Leider hatte die Mannschaft dafür keine wirkliche Vorlage geliefert – und so wirkte Sammers Kritik doch arg konstruiert.

Allen Klagen zum Trotz zeigte die Partie im Wattenscheider Lohrheidestadion, dass es im künstlich aufgemotzten Ligapokal recht ansehnliche Spiele geben kann. Der ehemalige Meister aus Dortmund traf auf den VfL aus Bochum. Der Tabellenneunte der abgelaufenen Saison war in das Feld der laut DFL „sechs besten Teams der Liga“ vorgerückt, weil die vor ihm platzierten Bremer, Schalker und Wolfsburger im UI-Cup beschäftigt sind. Dass es am Ende 2:1 für Dortmund hieß, fiel da kaum ins Gewicht. „Der BVB hat Spieler, die mit ihrer individuellen Klasse jedes Spiel allein entscheiden können“, stellte VfL-Trainer Peter Neururer fest.

Die individuelle Klasse der Dortmunder zeigte sich vor allem im Spiel nach vorne. Das Offensivdreieck um den konstant starken Jan Koller, den spielfreudigen Marcio Amoroso und den alles überragenden Tomas Rosicky dürfte in dieser Form nicht nur für die Bochumer Defensive unhaltbar sein: Erschreckend sichere, mit hohem Tempo vorgetragene Doppel- und Dreifachpässe waren da zu bestaunen, auch wenn ihnen anfangs noch die von Sammer geforderte Zielstrebigkeit fehlte. Den ersten Torschuss gab es trotz des bis dahin ansehnlichen Spiels nämlich erst nach 30 Minuten: Rosickys Schuss wurde bei seinem Weg ins Tor passenderweise von einem Bochumer abgefälscht. Die Aktion leitete dennoch die stärksten fünf Minuten des BVB ein: Amoroso nutzte drei Minuten später ein Missverständnis in der VfL-Abwehr zum 2:0, und hätte Rosicky kurz darauf frei stehend auch noch das 3:0 besorgt, wäre das Spiel auch schon gelaufen gewesen. Stattdessen aber erzielte Vahid Hashemian den Anschlusstreffer und goss somit Wasser auf Sammers Mühlen der Kritik: „Uns fehlt die Reife, wir hätten das Spiel nach dem 2:0 beruhigen müssen.“

Matthias Sammer vertraute in Wattenscheid ausschließlich auf Spieler, die schon in der letzten Saison zum Kader gehörten. Neuzugang Malte Metzelder fehlte wegen Verletzung, Niclas Jensen, Neuerwerbung von Manchester City, sah das Spiel von der Bank aus. In der Defensive, noch ohne Christoph Metzelder, überzeugte vor allem Christian Wörns, Stefan Reuter und Lars Ricken fielen dagegen etwas ab. Noch schlimmer aber wiegt Evanilsons neuerliche Verletzung: Der Brasilianer zog sich sieben Minuten nach seiner Einwechslung einen Kreuzbandriss zu und fällt für ein halbes Jahr aus. Das war freilich nur die eine Hälfte der Hiobsbotschaften für die Borussia: Gestern wurde die gleiche Verletzung auch bei Torsten Frings diagnostiziert. Der Nationalspieler hatte sich seine Verletzung ebenfalls ohne Fremdeinwirkung zugezogen, danach aber noch weiter gespielt und erst in der Nacht starke Schmerzen bekommen. „Das ist bitter“, klagte Sammer, diesmal völlig zu Recht.

Taktisch hat sich bei der Sammer-Elf seit zwei Jahren nicht allzu viel geändert. Was positiv auffällt, ist die Spielfreude, die vor allem Amoroso und Rosicky zeigten – wohl auch eine Folge des gesteigerten Selbstbewusstseins. „Ich kann alles spielen, Linksaußen, Stürmer, egal“, sprach Rosicky.

Von Rosicky, aber auch von der Form eigener Glanzzeiten, ist Bochums Nummer 10, Dariusz Wosz, Lichtjahre entfernt. Ein wie auch immer geartetes Zweikampfverhalten war bei ihm praktisch nicht vorhanden, spielerische Impulse konnte Wosz nur ansatzweise setzen. Dazu Trainer Neururer: „Stichtag für Dariusz ist der 2. August, bis dahin wird er die Form der letzten Saison erreichen.“ Nicht wenige beim VfL betrachten dies als Drohung. Immerhin zeigte die Mannschaft, dass sie auch ohne Wosz mithalten kann. Die Neuzugänge Philipp Bönig, Momo Diabang und vor allem Tomasz Zdebel konnten allesamt überzeugen. Christiansen-Ersatz Peter Madsen wartet dagegen weiter auf seine Spielgenehmigung. Der Kader ist stärker, ausgeglichener als in der vergangenen Runde – die Grundvoraussetzung, um die Platzierung der letzten Saison auch nur annähernd bestätigen zu können.

Der BVB hat da ganz andere Ziele: Nochmals Platz drei wäre eine Enttäuschung. Die Ansätze aus dem Ligapokal machen Hoffnung, dass die Borussen in den Titelkampf eingreifen können. Mal sehen, was Sammer dann zu bemotzen hat. HOLGER PAULER