Der Normalfall in der Erziehung heißt Frau

Sehr viele Väter finden den neuen Erziehungsurlaub namens Elternzeit cool – aber sie nehmen ihn kaum wahr

BERLIN taz ■ Die vor drei Jahren erweiterten Möglichkeiten, die „Elternzeit“ einzuteilen, kommen offenbar gut an. Das Familienministerium hatte Eltern und Unternehmen nach den Effekten des Gesetzes befragen lassen, das vor allem mehr Teilzeitarbeit für die Erziehung von Kindern ermöglicht. Zuvor konnten Eltern maximal 19 Stunden pro Woche in ihrem Beruf arbeiten, wenn sie Elternzeit nahmen, seit 2001 sind es bis zu 30 Stunden. Zudem hat das Gesetz den Eltern in Unternehmen mit mehr als 15 Beschäftigten einen Rechtsanspruch auf Teilzeit ermöglicht.

Beides begünstigt laut der gestern in Berlin vorgestellten Befragung auch, dass Väter die Elternzeit in Anspruch nehmen: 58 Prozent der Väter sehen in der neuen Gesetzeslage eine Erleichterung. Allerdings nehmen nur 5 Prozent der Väter diese Möglichkeit auch in Anspruch. Das sind etwas mehr, als die bisherigen Schätzungen, die sich zwischen 1,5 und 2 Prozent bewegten, vermuten ließen. Dennoch hielt Ministerin Renate Schmidt (SPD) fest: „Väter am Wickeltisch oder in der Krabbelgruppe sind immer noch eine Ausnahme.“ Der Normalfall bei einem Kind unter zwei Jahren ist eine nichterwerbstätige Mutter: 60,1 Prozent der Familien leben in dieser Zeit so. Weitere 32,2 Prozent der Mütter arbeiten in dieser Zeit auf einer Teilzeitstelle. Bei 4,7 Prozent sind beide Eltern in Elternzeit und arbeiten Teilzeit, bei 0,2 Prozent ist nur der Vater in Elternzeit und nicht erwerbstätig.

Die neue Arbeitsteilung werde also „weniger gelebt als gewünscht“, so Schmidt. So wünschen sich etwa 11,3 Prozent aller Paare, dass beide auf einer Teilzeitstelle arbeiten können, realisiert wird dieser Wunsch nur von 0,8 Prozent. Dass die Frau mit Kleinkindern zu Hause sitzt und der Mann Vollzeit arbeitet, wünscht sich in Deutschland nur noch eine Minderheit von 8 Prozent – real praktizieren aber über 50 Prozent dieses Modell.

Zwei Hauptgründe dafür lassen sich aus der Befragung ableiten. Vierzig Prozent machten ihre finanzielle Situation für diese Arbeitsteilung verantwortlich: Der Mann, der meist mehr verdient, arbeitet weiter. Der zweite Grund sind die mangelhaften Betreuungseinrichtungen in Deutschland: 34 Prozent machen diese verantwortlich für ihre traditionelle Arbeitsteilung. Auch die Unternehmen machen noch erstaunlich oft Schwierigkeiten. Knapp 50 Prozent der Befragten sahen kein Entgegenkommen ihres Unternehmens, wenn sie wegen ihrer familiären Situation flexibler arbeiten wollten.

Die Unternehmen dagegen gaben an, dass die Elternzeit keine Probleme bereite. Nur ein einziges von 50 Unternehmen war „strikt gegen Teilzeit“. Alle anderen hatten sich nach eigenen Angaben damit arrangiert. Sie nutzen die Elternzeit manchmal, um unliebsame Mitarbeiter loszuwerden. „Bemerkenswert“ oft endeten Verfahren vor dem Arbeitsgericht mit der Auflösung des Vertrages, heißt es in der Studie. Aber Mitarbeitern, die gebraucht werden, würden oft sogar Angebote gemacht, die über die gesetzliche Regelung hinausgehen. Je stärker die Unternehmen auf qualifizierte MitarbeiterInnen angewiesen seien, desto selbstverständlicher sei das Entgegenkommen, so der Tenor der Befragung. HEIDE OESTREICH

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