Leerstelle geschickt verpackt

Regierung und Wirtschaft einigen sich auf Ausbildungspakt. Ein Gesetz wird es nicht geben, dafür sollen vielleicht 30.000 Lehrstellen geschaffen werden. Gewerkschaften kritisieren den Deal

BERLIN taz ■ Nach monatelangem Tauziehen haben Bundesregierung und Wirtschaft einen Ausbildungspakt mit drei Jahren Laufzeit geschmiedet. Sie verpflichten sich darin „gemeinsam und verbindlich, in enger Zusammenarbeit mit den Ländern allen ausbildungswilligen und ausbildungsfähigen jungen Menschen ein Angebot auf Ausbildung zu unterbreiten“. Die Wirtschaft will im Jahresdurchschnitt 30.000 neue Lehrstellen schaffen. Die Regierung sichert in dem Abkommen zu, die Gesetzgebung für eine Ausbildungsumlage bis Ende 2005 auf Eis zu legen.

Der Inhalt des Paktes lässt allerdings viel Spielraum für Interpretationen. Laut dem Papier sollen die zugesagten 30.000 neuen Lehrstellen nämlich auch die aus wirtschaftlichen Gründen wegfallenden Ausbildungsplätze kompensieren und die Gesamtzahl der Stellen lediglich „möglichst erhöhen“. Was also unterm Strich wirklich bleibt, ist offen.

Zudem will die Wirtschaft laut Pakt auch 25.000 bis zu einjährige Betriebspraktika für benachteiligte Jugendliche einrichten. Auch diese Praktika könnten somit schlankweg als „Angebot zur Ausbildung“ gewertet werden, zumal in dem Papier zwischen „ausbildungswilligen“ und „ausbildungsfähigen“ jungen Leuten unterschieden wird.

Die Gewerkschaften übten gestern scharfe Kritik am Ausbildungspakt. DGB-Chef Michael Sommer erklärte, es sei „falsch, durch diesen Ausbildungspakt den Druck von den Arbeitgebern zu nehmen, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden“. Nur aufgrund des Gesetzentwurfs zur Ausbildungsumlage habe die Wirtschaft überhaupt Zusagen für zusätzliche Ausbildungsplätze gemacht.

Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) äußerte sich jedoch optimistisch, dass der Pakt die Lücke im Angebot von Lehrstellen schließt. Dies sei eine „verbindliche Zusage“ von Politik und Wirtschaft. „Mehr kann man nicht erreichen“, sagte Clement.

SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzender Franz Müntefering sicherte der Wirtschaft zu, dass eine gesetzliche Ausbildungsumlage auf jeden Fall bis zum Herbst 2005 auf Eis gelegt wird. Erst dann soll entschieden werden, ob „ergänzende gesetzliche Initiativen“ notwendig seien, schrieb Müntefering an DIHK-Präsident Braun. „Jetzt steht es eins zu null für die Politik und zwei zu null für die Wirtschaft“, fasste er das Resulat der zähen Verhandlungen zusammen. Die Grünen begrüßten die Unterzeichnung des Ausbildungspakts als großen Erfolg für SPD-Chef Franz Müntefering. BD

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