Putsch ums Öl in Afrikas Zukunftsregion

Der Militärputsch in São Tomé betrifft das kleinste und schwächste Land in einer Kette aufstrebender Ölstaaten in Afrika

BERLIN taz ■ Es war ein Militärputsch wie aus dem Bilderbuch: Der Präsident fährt ins Ausland, das Militär besetzt daheim die Regierungs- und Fernsehgebäude, verhaftet die Regierung und erklärt seine Machtergreifung. Immer wieder ist das in Afrika so abgelaufen, und am Mittwoch eben auch im kleinen Inselstaat São Tomé e Principe, mit 150.000 Einwohnern sicherlich kein Schwergewicht des Kontinents. Aber dieser Putsch fand mitten in einer Region statt, auf der die Zukunftshoffnungen Afrikas ruhen – und in einem Land, das versucht hatte, sich als Modell für Entwicklung darzustellen.

São Tomé liegt im Golf von Guinea etwa 240 Kilometer westlich von Gabun. Der Golf und seine Anrainerstaaten von Nigeria bis Angola sind sehr ölreich und gelten als große Zukunftsregion Afrikas – die internationale Ölindustrie, vor allem US-Konzerne, wollen die Ölförderung in Afrika in den nächsten Jahren stark ausweiten und im kommenden Jahrzehnt 200 Milliarden Dollar auf dem Kontinent investieren. Kein Wunder, dass die mögliche Kontrolle dieser gigantischen Investitionen und zu erwartenden Fördereinnahmen die lokale Politik bestimmt – auch in Ländern wie São Tomé, wo noch kein einziger Tropfen Öl geflossen ist.

Zum Thema Öl hatte São Tomé in jüngster Zeit drei riskante Entscheidungen getroffen. Die ehemals portugiesische Kolonie war seit der Unabhängigkeit 1975 eng mit Angola liiert. Aber das Ende des sozialistischen Einparteienstaates 1991 lockerte die Bindungen, und die Wahl des reichsten Geschäftsmannes des Landes, Fradique de Menezes, zum Präsidenten 2001 auf Grundlage eines Wahlversprechens von gigantischen Öleinnahmen entfremdete São Tomé weiter von Angola. Menezes rief nach seiner Wahl nicht nur Angolas Regierung zum Dialog mit den Unita-Rebellen auf, sondern wandte sich auch zur Organisierung seiner Ölförderung an Nigeria, dessen Ölfelder im Atlantik an die São Tomés angrenzen und das die Ansprüche seiner kleineren Nachbarn auf Tiefseeölfelder nicht immer anerkennt. Letztes Jahr vereinbarten Nigeria und São Tomé die gemeinsame Nutzung von Ölgebieten, die von beiden Ländern beansprucht werden.

Zugleich machte sich São Tomé zum Modell transparenter Geschäftspraktiken im Ölsektor, traditionell in Afrika extrem korrupt. Das Land hat sich der britischen „Extractive Industries Transparency Initiative“ (EITI), die kürzlich in London von der Ölindustrie verabschiedet wurde und die Veröffentlichung aller Zahlungen von Ölkonzernen an Regierungen auf freiwilliger Basis vorsieht, als Vorreiter angeboten und plant, sämtliche Geldflüsse öffentlich zu machen und mit den Öleinnahmen Entwicklung zu finanzieren.

In einem dritten Schritt, sich zum regionalen Vorreiter zu machen, lud São Tomés Regierung vergangenes Jahr die USA dazu ein, eine Militärbasis auf ihrem Staatsgebiet zu errichten. Die USA wollen den Anteil Afrikas an ihren Ölimporten in den nächsten Jahrzehnten von 15 auf 25 Prozent steigern und sind stark an Möglichkeiten zur Militärpräsenz in Westafrikas Ölgebieten interessiert. US-Afrikastaatssekretär Walter Kansteiner besuchte São Tomé letztes Jahr, um über die Pläne für eine Marinebasis zu reden. Das Projekt liegt derzeit auf Eis, aber São Tomé ist zum wichtigen US-Verbündeten aufgestiegen: Der US-Staatsrundfunk „Voice of America“ hat dort eine wichtige Relaisstation für Zentralafrika eingerichtet. Und Nigeria ist der wichtigste regionale Partner des US-Militärs, das sogar erwägt, Soldaten in Nigerias Ölfeldern zu stationieren,

Kaum zufällig häufen sich seit der Vereinbarung zwischen Nigeria und São Tomé zur gemeinsamen Ausbeutung der Ölfelder Besuche sãotomischer Militärs, die eng mit Nostalgikern des früheren Einparteiensystems liiert sind, in Angola. Verteidigungsminister Fernando da Trindade vereinbarte Ende Juni die Ausbildung sãotomischer Soldaten in Angola.

War es ein Zufall, dass der Chefausbilder von São Tomés Militär, Fernando Pereira, nun Chef der Militärjunta ist, die auf São Tomé die Macht ergriffen hat? Und dass Präsident Menenez gestürzt wurde, als er in Nigeria weilte? Lokale Quellen auf São Tomé behaupten, der Putsch sei keine Überraschung gewesen. Fest steht: Die Aussicht auf fette Zahlungen der Ölkonzerne im Rahmen der Versteigerung von Ölfeldern in den nächsten Monaten hat politische Gier geweckt. In einem Land, dessen ökonomische Aussichten größer sind als die Stabilität seiner Institutionen, kann dies leicht zum Umsturz führen. DOMINIC JOHNSON