Ruhrfestspiele sollen ausbluten

Die Ruhrfestspiele verlieren ihr Stammpublikum. Nur noch 32 Prozent Auslastung in diesem Jahr. Ausgerechnet der DGB boykottierte seinen neuen Intendanten Frank Castorf

VON PETER ORTMANN

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat sich in diesem Jahr seinen eigenen Ruhrfestspielen verweigert. Nicht einmal die Ehrenkarten wurden in Anspruch genommen. Im letzten Jahr wollten noch über 1.600 Wichtige für umsonst die Aufführungen sehen – in diesem Jahr kamen nur noch die Hälfte. Auch ein Grund dafür, dass die Auslastungsquote bei den ersten Ruhrfestspielen in Recklinghausen unter Intendant Frank Castorf nur bei 32 Prozent liegt. Ganze 19.471 Karten wurden insgesamt verkauft. Im letzten Jahr schaffte Hansgünter Heyme bereits 25.000 nach sechs Wochen Vorverkauf.

„Wir haben das klassische Rückgrat total verloren“, sagt der Volksbühnen-Macher aus Berlin. Er habe gehofft, das viele aus Neugier wiederkommen und sich so annehmbare Zahlen ergäben. Eine Ursache für den Schwund sei eben auch die Verweigerung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) gewesen. Über 20.000 Karten waren da im letzten Jahr von den Mitgliedern bestellt worden, jetzt waren es nur noch ein Drittel.

„Wir haben sehr geflucht“, sagt dann auch Josef Hülsdünker vom DGB-Regionalvorstand Emscher-Lippe. Besonders die Veranstaltung zum 1. Mai sei ein organisatorisches Desaster gewesen. Ob Castorf auch im nächsten Jahr noch Intendant sei, wollte Hülsdünker nicht sagen. „Das ist Sache des Bundesvorstandes“. Allerdings käme jetzt die Pistole auf den Tisch, denn es müsste Geld reinkommen. „Schließlich stecken wir da Beiträge rein“, sagt der DGB-Mann.

Rückendeckung bekommt Castorf vom NRW-Kulturminister Michael Vesper (Grüne). Er ist mit dem Programm künstlerisch zufrieden. „Wer Castorf wollte, hat Castorf bekommen“, sagte er und sieht im Besucherschwund einen normalen Vorgang in der Übergangsphase. „Im nächsten Jahr wird alles besser besucht sein“, orakelt der Minister. Das Land stehe jedenfalls hinter dem Umbruch in Recklinghausen.

Auch im Aufsichtsrat herrscht noch Ruhe. „Von Überlegungen, Castorf abzusetzen, ist mir nichts bekannt“, sagt Norbert Lammert, der Bochumer Bundestags-Abgeordnete und kulturpolitische Sprecher der CDU. Die Nominierung von Frank Castorf sei eben hochriskant gewesen. Aber Castorf habe nichts anderes gemacht, als er angekündigt hätte. Wenn jetzt dessen Vorstellungen mit denen der Gesellschafter kollidierten, sei das lange vorhersehbar gewesen.