Schadstoff-Radarfalle für die Elbe

Hygiene-Institut stellt neues Alarmsystem zur Entdeckung von Störfällen vor. Krebse und Algen geben Gift-Warnung. Mittel, verschwiegene Schadstoffeinleitungen zu erkennen

Hamburg taz ■ Was Rom die Gänse auf dem Kapitol waren, wird Hamburg künftig ein Krebslein sein. Die Daphnie schwimmt mit neun Artgenossen in einem Messgerät, durch das ständig Elbwasser gepumpt wird. Das Gerät erkennt, wenn sich das Verhalten der Krebse plötzlich ändert, es gleicht sich mit anderen Messgeräten ab und löst Giftalarm aus. Das Verfahren haben Fachleute des Hamburger Instituts für Hygiene und Umwelt (HU) im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA) entwickelt, um eine schnellere Reaktion nach Störfällen wie der Sandoz-Katastrophe auf dem Rhein zu ermöglichen. Gestern diskutierten Vertreter der Internationalen Kommission zum Schutz der Elbe (IKSE) sowie der Rhein- und der Donauschutzkommission mit Experten der Flussanliegerländer über den europaweiten Einsatz dieses Alarmierungssystems.

Die flächendeckende Einführung des neuen Modells würde die bisherigen Warn- und Alarmsysteme der großen europäischen Flusssysteme revolutionieren. Bisher verlassen sich die Behörden darauf, dass Fabriken und Lagereibetriebe von sich aus melden, wenn ihnen große Mengen schädlicher Stoffe ins Wasser geraten sind. Dazu sind sie gesetzlich verpflichtet. Ob sie es im Einzelfall auch tun, steht auf einem anderen Blatt.

„Das können Sie nicht auf der Basis von Eigenkontrolle machen“, antwortete die Staatsrätin der Umweltbehörde, Herlind Gundelach (CDU), auf die Frage, ob Hamburgs Senat von seiner Linie abweichen wolle, die Unternehmen weniger zu kontrollieren. Gerhard Winkelmann-Oei vom UBA versprach sich von dem neuen System einen Radarfallen-Effekt: „Sobald die Monitoring-Stationen arbeiten, können Sie sicher sein, dass die Belastung sofort zurückgeht.“

Was dabei als Störfall zu gelten hat, muss immer wieder neu politisch festgelegt werden. Bei einem Stoff, dessen Grenzwert ein Millionstel Gramm pro Liter beträgt, reichen heute zwei Zentner-Säcke, um einen Alarm auszulösen. Fallen sie an der tschechischen Grenze in die Elbe, wird der Grenzwert noch in Hamburg überschritten. Wird dies rechtzeitig erkannt, kann der Schaden begrenzt werden.

An Hamburger Gewässern stehen elf Messstationen, in denen zum Teil mehrere Messgeräte parallel arbeiten: Sie ermitteln chemische Werte, sie überwachen aber auch das Wachstum von Algen und das Verhalten der Daphnien. Diese 40.000 Euro teure Maschine zeichnet zum Beispiel deren Schwimmwege und -geschwindigkeit auf. Schwimmen sie plötzlich schnell und mit vielen Kurven, ist das ein Hinweis auf eine Giftwelle in der Elbe. Registrieren mehrere Messgeräte starke Veränderungen, löst die Station automatisch Alarm aus. Gernot Knödler