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: Das tröstende Wissen der Maniküre

Manchmal muss man nur aus dem Haus gehen, um sofort 27 neue dufte Stylingtipps für umsonst zu erhaschen. Zum Beispiel hätte ich nie gedacht, dass man sich die Monde seiner Fingernägel auch in einer anderen Farbe lackieren kann als die übrige Nagelfläche. Da muss mir erst eine ganz spezielle, auch schon im Winter brutzelbraun gebrannte Vorstadtmaus in der S-Bahn gegenübersitzen und in ihrem Tuning-Magazin blättern, bis ich auf einen derart verwegenen Gedanken komme.

Die Zehennägel der Spitzenbraut überraschten mich gleich noch einmal: Hier waren nicht zwei unterschiedliche Pinktöne für Mond und Nagel benutzt, sondern vom großen Onkel bis zum kleinen Hammerzeh einfach abwechselnd zwei ganz verschiedene Farben aufgetupft worden: Rosa und Weiß. In den Plateausandalen der findigen Dame wackelten sozusagen zehn Mentos.

Woher stammen nur solche Gedankenblitze! Vermutlich ja aus den Arzt-Wartezimmer-Magazinen, aus denen ich immer nur unauffällig die Rezepte herausreiße, natürlich nicht ohne gleichzeitig zu niesen oder mit den Füßen zu scharren, um das Reißgeräusch zu übertönen (ein Trick von Robert Redford in „Die drei Tage des Kondors“). Die Rezepte stopfe ich in die Ecke hinter die voll gekleckerten alten Kochbücher, und manchmal, wenn der Hunger zu groß wird, ziehe ich die Zettel hervor, streiche sie glatt und weine. Ehrlich, wenn ich noch einmal reinkarniert werden sollte, dann doch bitte als jemand, der kochen kann! Zumindest ein bisschen!

Ich weiß ja, verdammt noch eins, noch nicht mal, wie Staudensellerie aussieht oder was in eine Sauce Hollandaise gehört außer dem Zeug aus der Knorrpackung.

Aber dafür habe ich einen tollen Trick auf Lager, der die Tränen beim Zwiebelschneiden verhindert: Man steckt sich einfach zwei Streichhölzchen unangezündet (!) in den Mund, mit dem Schwefelkopf nach außen, glaube ich, und dann muss man nicht heulen, auch wenn man Quiche Lorraine vorbereitet. Ich hab’s erst einmal ausprobiert, als ich mir ein heißes Zwiebelsäckchen gegen die Mittelohrentzündung gebastelt habe – die Gesundheitsreform lässt einen ja zu den merkwürdigsten Hexenrezepten greifen, eventuell werde ich meinen nächsten Leistenbruch mal mit einem Sud aus Krötenbeinen und Spinnenaugen behandeln –, aber damals heulte ich ohnehin unablässig wegen der Schmerzen. Also gilt das nicht als Versuchsaufbau.

Gerne würde ich das mit den Streichhölzchen noch mal versuchen, aber zu welchem Anlass? Wozu braucht man Zwiebeln denn noch, außer für die Ohren? Unter Z steht in meinem voll gekleckerten Kochbuch leider nur „Zunge, gefüllte“ und „Zwetschgenknödel“, und beides kann oder will ich nicht machen.

Nie werde ich vergessen, wie ich bei meiner Oma mal in den Kühlschrank linste, um zu prüfen, ob sie da vielleicht das Jahrmarktsgeld versteckt hatte, und mir vom mittleren Regalrost quasi ein armes Rind die Zunge herausstreckte, nur eben ohne Rind dran. Aber das Organ sah so echt aus, als ob es gerade noch gemuht hätte. Das hat mir mit Z beginnende Rezepte für immer vergällt.

Zurück zu den Fingernägeln vom Anfang. Eine erfahrene Maniküre hörte ich einmal sagen, an den Monden erkenne man den Charakter eines Menschen: Gauner, Spitzbuben, Lumpen und Filous hätten besonders kleine Monde. Ich habe mir diesen Rat zu Herzen genommen und gehe nur mit Männern aus, deren Mondgröße nicht durch rosa Nagellack verschleiert, vergrößert oder sonst irgendwie verfälscht worden ist. Bis jetzt habe ich auf diese Art Reinfälle vermieden, was mich in der Annahme bestätigt, Kosmetikerinnen werde in unserer Gesellschaft zu wenig Gehör geschenkt. Vermutlich gäbe es weniger gebrochene Herzen, Geschäftsbetrügereien und menschliche Enttäuschungen, wenn alle Menschen regelmäßig zur Pediküre gingen. Aber ach, das wird wohl nur ein Gedankenmodell bleiben. JENNI ZYLKA