Welt der hohen Tiere

In trauter Eintracht mit den Öffentlich-Rechtlichen feiert das Privatfern-sehen 20. Geburtstag. Bloß Premiere-Chef Georg Kofler spielt Partybremse

Premiere-Chef Kofler: „Grundversorgung? Das ist eine Verarschung!“

AUS MAINZ PEER SCHADER

„Es muss ja nicht immer alles in Berlin sein“, sagt ein Herr im hellen Anzug zu seiner Begleiterin und beißt in eines der Kiwitörtchen, die auf den Stehtischen im Foyer des Mainzer Staatstheaters angerichtet sind. Drinnen, auf der Bühne des abgedunkelten Theatersaals, sitzen drei Herren in fortgeschrittenem Alter und reden übers Fernsehen. Übers Privatfernsehen. „Ich kann Sie nicht sehen, aber ich nehme mal an, dass Sie noch da sind“, begrüßt Norbert Schneider, Direktor der Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen, sein Publikum und fügt hinzu: „Wir sind jetzt die Allerletzten.“

Die „Allerletzten“ sind eigentlich „Männer der ersten Stunde“ und außer Schneider noch der Ex-RTL-Chef Helmut Thoma und der Sat.1-Mitbegründer Jürgen Doetz. Und wenn die nicht gewesen wären, hätte man sich das Symposium zum 20. Geburtstag des Privatfernsehens, der vorgestern mit sechsmonatiger Verspätung in Mainz gefeiert wurde, glatt sparen können.

Einmal in der Woche sei ein Laster aus München vorbei gekommen und habe Filme von Leo Kirch abgeliefert, erinnert sich Doetz an die Anfänge von Sat.1: „Wir waren damals so was wie eine Sammelstelle für Kassetten.“ Und Thoma sagt, dass es ihm ziemlich egal war, was RTL 1984 nach dem Start im Kabelpilotprojekt Ludwigshafen sendete, weil damals eh kaum jemand zusehen konnte: „Für die paar Leute war es wichtig, dass der ganze Bildschirm gefüllt ist, dass das in Farbe war und sich was bewegt hat.“ Fernsehen kann so einfach sein! Das liegt vor allem daran, dass Thoma und Doetz nicht nur geschickte Fernsehlobbyisten, sondern auch begabte Entertainer sind. Bloß: 20 Jahre nach dem „Urknall“ im Privatfunk haben sie nicht mehr viel zu sagen. Thoma ist längst „Medienberater“, Doetz hört im Herbst als ProSiebenSat.1-Vorstand auf – ist aber immerhin noch Präsident des Privatfernsehverbandes, VPRT.

Dem Privatfunk fehlen neue „Macher“. Dementsprechend lau waren auch die mittäglichen Gesprächsrunden: Der blasse ProSiebenSat.1-Vorstandschef Guillaume de Posch las seine Diskussionsbeiträge stur vom Blatt ab, Staatsministerin Christina Weiß fand zwar, dass der Politikdiskurs im Fernsehen zu kurz komme, bescheinigte RTL, Sat.1 und Co. ansonsten aber freundlich „Mut, Kreativität und handwerkliches Geschick“, und der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck antwortete auf die Frage, was er sich denn bei den Privaten am liebsten ansehe: „Tiersendungen.“

Einzig Premiere-Chef Georg Kofler traute sich, aus der Reihe zu fallen und tobte mit „präanalen Metaphern“ (Schneider) gegen die Privilegien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der den Privaten das Leben zunehmend schwerer mache: „Grundversorgung? Das ist eine Verarschung!“ Für Kofler war das kein guter Tag. Am Abend musste er auch noch mit ansehen, wie seine Kollegen auf der Freiluftparty im hübsch illuminierten Hof der Mainzer Staatskanzlei Verbalzärtlichkeiten mit ZDF-Intendant Markus Schächter und den hohen Herren der Medienpolitik austauschten. Einen Abend lang wollte man den ganzen Zoff um Gebühren, Sponsoring und Regulierung mal vergessen und sich lieb haben. Ein merkwürdiges Schauspiel.

Immerhin: Wenn’s zum Geburtstag noch für eine derart aufwändige Fete reicht, kann es den Privaten ja so schlecht nicht gehen. Oder die mitfeiernden Landesmedienanstalten haben ordentlich was von ihrem Rundfunkgebührenanteil springen lassen. Üppige Buffets, reichlich Champagner, teure Zigarren – derart exklusiv wird’s in der Mainzer Staatskanzlei nicht jeden Abend zugehen. Junge Damen verteilten vierseitige Focus-Sonderausgaben mit „gründlich recherchierten und präzisen Nachrichten“ des Tages (Helmut Markwort im Grußwort), zum Beispiel: „Panda nach Sexualunterricht schwanger“. Und in der Nacht wurden die Gäste in glänzenden Phaetons „in autorisierte Hotels“ chauffiert. Toll!

Zuvor war sogar Bundeskanzler Gerhard Schröder angereist und hat nach einer kurzen Versöhnungsrede gesagt: „Ich bin gern gekommen, kann aber nicht lange bleiben.“ Er habe versprochen, Markus Schächter in seinem Privatjet noch zum Sommerfest des ZDF mitzunehmen – nach Berlin. Die Party in Mainz ist dadurch nicht schlechter geworden. Es muss ja nicht immer alles in Berlin sein.