Kritik aus der Heimat trübt Blairs USA-Besuch

Der britische Premierminister darf vor dem US-Kongress reden. Aber in London wird über sein Aus spekuliert

BERLIN taz ■ Der gestrige Besuch des britischen Premierministers Tony Blair in Washington ist überschattet worden von der anhaltenden Kritik an seiner Rechtfertigung des Irakkrieges. Die britische Opposition hatte Blair bei einer Unterhaus-Debatte am Mittwoch eine „Kultur der Täuschung“ bescheinigt. Blair war in die USA geflogen, um US-Präsident George W. Bush zu sprechen und eine Rede vor dem Kongress zu halten. Dabei wollte er nach Angaben seines Sprechers die USA und Europa auffordern, so eng wie möglich zu kooperieren, da dies der Welt mehr Sicherheit und Wohlstand beschere. Nach Winston Churchill, Clement Attlee und Margaret Thatcher ist Blair erst der vierte britische Premierminister, der eine Rede vor dem Kongress gehalten hat.

Blair sollte aus Dank für seine USA-Treue ursprünglich mit der goldenen Ehrenmedaille des Kongresses ausgezeichnet werden. Angesichts der aktuellen Kontroversen um die Kriegsgründe und der steigenden Zahl von gefallenen US-Soldaten im Irak wurde diese Auszeichnung aber verschoben.

Der „Besuch Tony Blairs in Washington ist nicht gerade das angesichts des ersten Überschwangs nach dem Krieg im Irak ins Auge gefasste triumphale Ereignis“, kommentierte die linksliberale Londoner Tageszeitung Guardian dann auch in ihrer gestrigen Ausgabe und spekulierte zugleich über ein baldiges Ende von Blairs Amtszeit.

Erwartet wurde nach einem BBC-Bericht von gestern auch, dass der britische Premierminister sich im Gespräch mit Bush für die Auslieferung zweier britischer Staatsbürger einsetzen würde, die als Terrorverdächtige auf dem US-Stützpunkt in Guantanamo Bay festgehalten werden. Den beiden droht eine Verurteilung durch ein US-Militärgericht.

Es wurde außerdem damit gerechnet, dass der anhaltende irakische Widerstand gegen die Besatzungstruppen ein zentrales Thema der Unterredung zwischen Bush und Blair sein würde.

Kurz vor seiner Abreise hatte sich Blair am Mittwoch bei einer Fragestunde im Unterhaus erneut harscher Kritik ausgesetzt gesehen, die auf seine Rechtfertigung des Irakkrieges zielte. „Die Wahrheit wird Ihnen in schnellem Tempo fremd“, zitiert die Nachrichtenagentur dpa den konservativen Oppositionsführer Iain Duncan Smith.

Blair bestritt jedoch erneut, die Öffentlichkeit getäuscht zu haben. Dabei verteidigte er auch wieder umstrittene Geheimdienst-Erkenntnisse, wonach Saddam Hussein versucht haben soll, in Afrika Uran für sein Atomprogramm zu kaufen. „Ich stehe hundertprozentig hinter der Behauptung“, sagte Blair. Saddam habe in den 80er-Jahren große Mengen Uran in Niger gekauft, und es sei „nicht undenkbar“, dass er dies erneut versucht haben könnte.

Der BBC zufolge betonte Blair, die als Fälschung widerlegten Dokumente seien nicht die einzigen Beweise für diese Annahme. Demgegenüber hat das Weiße Haus inzwischen eingeräumt, dass die Beweise gegen den Irak in diesem Fall nicht stichfest gewesen seien. S.L.