AKW-Gegner können aufatmen

Sieben Jahre hat die Bundesanwaltschaft gegen zwölf Atomkraftgegner ermittelt – wegen Terrorismusverdachts. Jetzt hat sie das Verfahren einfach eingestellt. Für die Verdächtigen ist die Zeit nicht gerade zimperlicher Ermittlungen damit endlich vorbei

aus Bremen KAI SCHÖNEBERG

Die Bundesanwaltschaft hat eines der bislang größten Verfahren gegen Atomkraftgegner sang- und klanglos eingestellt. Fritz Storim, einer der Verdächtigen im so genannten Hakenkrallen-Verfahren, hat vor kurzem bei der Staatsanwaltschaft Einsicht in seine Akten nehmen dürfen. Der Bremer Anti-AKWler ist erleichtert, dass er nicht mehr im Visier der Fahnder ist: „Die jahrelangen Ermittlungen waren ein harter Angriff, der an unsere Existenz ging.“ Seit 1996 hatte die Bundesanwaltschaft gegen zwölf AtomkraftgegnerInnen aus Berlin, Bremen, Hamburg, Lüneburg und dem Wendland ermittelt. Grundlage war der umstrittene Anti-Terror-Paragraph 129 a (siehe Kasten).

Anlass war, dass 1996 und 1997 Unbekannte bei Protesten gegen die Castor-Transporte an insgesamt 20 Orten in Deutschland mit Hakenkrallen an den Oberleitungen den Bahnverkehr gestört hatten. Ein „Kommuniqué autonomer Gruppen“ hatte dazu eine Art Bekennerbrief geschrieben: „Ziel der Anschläge war es, die Deutsche Bahn AG unter Druck zu setzen, um die Castor-Transporte auf dem Schienennetz einzustellen.“

Wegen des „Terrorismus“-Verdachts sollen die Ermittler nicht gerade zimperlich gegen die Verdächtigen vorgegangen sein: Im Juli 1999 schlugen 300 Beamte an zehn Orten in Deutschland gleichzeitig zu. In eine Wohnung in Berlin sollen vermummte SEK-Beamte mit Stahlhelm und gezogenem Revolver eingedrungen sein. Unter anderem wurden Speichel- und Haarproben für DNA-Analysen entnommen. Das Bremer Büro der Messstelle für Arbeits- und Umweltschutz (MAUS e.V.), wo der Physiker Storim arbeitet, okkupierten allein 20 Beamte.

Hier wurden Computer und Akten beschlagnahmt. Auch Storims Wohnung in Hamburg sowie die Räume aller HausbewohnerInnen und einer Kunstgalerie wurden gefilzt. Außerdem wurden die Telefone einzelner Beschuldigter samt ihrer Wohngemeinschaften jahrelang belauscht, Kongresse, Veranstaltungen oder Treffen der Protestler observiert – all das hat Storim jetzt aus seinen Akten erfahren. „Das sind insgesamt acht dicke Leitz-Ordner.“

Für Storim war das Verfahren ganz klar politisch motiviert: „Das waren nichts als Drohgebärden und Einschüchterungsversuche gegenüber der Anti-Atom-Bewegung.“

Für die MAUS, seit Jahren in der Szene als AKW-kritische Umweltvereinigung bekannt, hatten die Beschuldigungen unangehme Folgen: Wegen des Verdachts wurden Aufträge des Bremer Senats und des Bundes entzogen. In der Folge der Ermittlungen kam bald ein neuer Vorwurf: Die mutmaßlichen „Terroristen“ hätten die öffentlichen Gelder „unzweckmäßig verwendet“. Da die MAUS bislang von den Aufträgen gelebt hatte, musste sie fast dichtmachen. Storim: „Wir haben die Arbeit so gut wie gar nicht fortsetzen können – bis heute.“

Von der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe war gestern keine Stellungnahme zum Verfahren zu erhalten.