Bemerkenswerte Mischung

Erstmalige Kooperation zum Länderschwerpunkt: Das Schleswig-Holstein Musik Festival und die NDR-Reihe „das neue werk“ widmen sich zeitgenössischer Musik aus Großbritannien

Dem Speziellen ein Forum, den Hörern ein Erlebnis

Über die Jahre seines Bestehens hat sich das Schleswig-Holstein Musik Festival (SHMF) nicht den Ruf erworben, große Risiken einzugehen. Bei allen Verdiensten, der programmatischen Überlegtheit und eventuellem Anspruch, zu verblüffen, wurde der Publikumserfolg immer im Auge behalten. Einen etwas anders gelagerten Ansatz verfolgt, immerhin seit 1951, die Reihe das neue werk des NDR. Auch dort richtet man sich zwar an ein erklärt „breites Publikum in Norddeutschland“. Die kuratierten Konzertprogramme allerdings setzen immer wieder auf kompositorische Wagnisse. „Man muss auch mal ein Projekt machen, bei dem man von vornherein damit rechnet, dass es nur 200 Leute erreicht, weil es eben so speziell ist“, so der zuständige Redakteur Dr. Richard Armbruster. „Wo soll das Spezielle sonst ein Forum haben?“

Mit der losen Konzertfolge „anbruch 03“ gehen SHMF und das neue werk in diesem Jahr erstmals eine Kooperation ein – nicht überraschend angesichts der Doppelfunktion von SHMF-Intendant Rolf Beck, ansonsten Abteilungsleiter für Orchester und Chor und damit auch dem neuen werk vorstehend. Und dessen Kompetenz, was den diesjährigen SHMF-Länderschwerpunkt Großbritannien angeht, war ja soeben erst unter Beweis gestellt worden: Als das neue werk im vergangenen Jahr in Hamburg ein verlängertes Konzertwochenende mit britischer Neuer Musik ausrichtete, wurden die Macher mit durchaus ansehnlicher Resonanz belohnt – keiner freilich, die eine aufwändige Unternehmung wie das SHMF tragen könnte.

So zeigt sich das „anbruch“-Programm als ambitionierte Vermittlungsarbeit, die neue Werke mit bekannten Interpreten mischt: Mit dem Arditti Quartet, das am kommenden Sonntag mit einem Programm zwischen Britten und Adès den Auftakt bildet, und der London Sinfonietta reisen da zwei international bestens beleumundete, auf zeitgenössische und Originalkompositionen spezialisierte Ensembles an. Mit Evelyn Glennie ist ein veritabler Star der noch recht jungen akademischen Schlagzeugmusik zu Gast. An Michael Nyman, durch seine Musik zu Das Piano auch Multiplexgängern ein Begriff, oder an Namen wie dem des Jazzgitarristen John Scofield dürften auch Nichtkenner der Neuen Musik interessiert sein.

Wie schon im Vorjahr kommt dem Kampnagel-Gelände eine Sonderstellung unter den Hamburger SHMF-Spielorten zu: Wiederum bespielen die Organisatoren des spanischen Elektronikfestivals Sonar ein Tagesprogramm lang die frühere Kranfabrik. Den zentralen Beitrag steuert der Avant-Dancefloor-Theoretiker und Konzepte-Aufsteller Matthew Herbert bei, der mit seinem bemerkenswerten Polit-BigBand-Projekt gastiert, gefolgt von entschieden tanzbareren, ganz und gar populäreren elektronischen Varianten zeitgenössischen britischen Musikgeschehens. ALEXANDER DIEHL

Auftaktkonzert: Sonntag, 20.7., 19 Uhr, Rolf-Liebermann-Studio des NDR, Oberstr. 120, Hamburg. Weitere Infos: www.anbruch.de, www.shmf.de