Fünf Stunden plus Mittagessen

Hamburgs SPD startet Volksbegehren gegen das Kita-Gutscheinsystem. Im November werden Unterschriften gesammelt. Garantierte Betreuungsplätze für alle bis 14 Jahre

Kinder dürften in Hamburg „nicht herumgereicht werden“, findet Olaf Scholz. Und da das Kita-Gutscheinsystem des Rechts-Senats „eine Katastrophe“ sei, verkündete der Parteichef der Hamburger SPD gestern den Start des Volksbegehrens „mehr zeit für kinder“ (www.kita-reform.de). Ziel ist ein Gesetz, das „mehr Kinderbetreuungsplätze“ in Hamburg und „mehr Chancen für junge Mütter und Familien“ sichere.

Zwischen dem 17. November und 1. Dezember sollen die mindestens 60.375 Unterschriften gesammelt werden, die gesetzliche Voraussetzung für einen Volksentscheid sind. Dieser könnte zusammen mit der Europa-Wahl am 13. Juni 2004 durchgeführt werden. Bei einer einfachen Mehrheit und mindestens 20-prozentiger Wahlbeteiligung wäre der Entscheid gültig – und das Gutscheinsystem gekippt.

Nach dem System von Bildungssenator Rudolf Lange (FDP), das zum 1. August startet, wird die Vergabe von Kita-Plätzen nach einem Prioritätenschlüssel organisiert. Allerdings stehen fast 4.000 Kinder noch auf der Warteliste, von denen 2.880 mit berufstätigen Eltern unbedingt einen Platz benötigten. Dazu kommt eine nicht bekannte Zahl der Prioritätenkategorien sechs und sieben. Insgesamt, so Scholz, würden in der Hansestadt bis zu 18.000 Kita-Plätze fehlen.

Das Volksbegehren will nun eine „Hamburger Garantie“ durchsetzen. Für alle Kinder unter 14 Jahre, deren Eltern berufstätig oder in Ausbildung sind, soll ein Betreuungsplatz samt warmem Mittagessen in der Kita garantiert werden. Und zwar ein fünfstündiger – denn die jetzigen Vier-Stunden-Plätze erlauben Eltern nicht einmal einen Halbtages-Job.

Der notwendige Ausbau der Kita-Plätze in Hamburg würde etwa 50 Millionen Euro pro Jahr kosten, hat die SPD errechnet. „Kein Problem“, findet Scholz, der als Generalsekretär der Bundespartei sich auch in der Berliner Politik bestens auskennt. Denn im Zuge der von der Bundesregierung geplanten Sozialreformen würden den Städten und Gemeinden ab 2004 jährlich rund 1,5 Milliarden Euro für den Kita-Bereich zufließen, allein für Hamburg bedeute dies „eine etwa sechsstellige Summe“.

Die drei Koalitionsfraktionen reagierten in einer gemeinsamen Erklärung harsch auf das Volksbegehren. Es handele sich um „leere Versprechungen“ und „miesen Politik-Stil“, auch sei die Finanzierung „unseriös“.

Der Elternverein FamilienPower hingegen erneuerte gestern seine Kritik am Kita-Gutscheinsystem. Eltern, die dringend auf eine Platzzusage angewiesen seien, sollten jetzt ihren Anspruch einklagen. Mehrere Eilverfahren sind vor dem Hamburger Verwaltungsgericht bereits anhängig, mit ersten Entscheidungen ist in der nächsten Woche zu rechnen. sven-michael veit